Die Jahre mit Laura Diaz
Berechnungen an und beschloß, dort zu beginnen: bei der Ein-Uhr-Messe in der weißblauen La-Votiva-Kirche, die maurisch war wie eine reuevolle Moschee.
Beim erstenmal drehte sich niemand nach ihm um. Beim zweitenmal blickten sie ihn erstaunt an. Beim drittenmal kam ein blonder, schlanker junger Mann zu ihm und fragte, wer er sei.
»Ich bin Lopez.«
»Lopez?«
»Ja, Lopez, der bekannteste Name im Telefonbuch.«
Das reizte den großen Jungen zum Lachen, er warf den Kopf mit dem welligen Haar und den langen Hals nach hinten, so daß sein Adamsapfel lebhaft auf- und abtanzte.
»Lopez! Lopez! Lopez und wie weiter?«
»Dïaz.«
»Und, und?«
»Und Greene. Und Kelsen.«
»Hört mal, Leute, der Kerl hier hat mehr Namen als wir alle zusammen. Komm mit zum Essen in den Jockey Club. Du gefällst mir.«
»Danke, nein, ich habe schon eine Verabredung. Nächsten Sonntag vielleicht.«
»Vielleicht, vielleicht, vielleicht? Der reinste Bolero. Haha. Kein Schuhputzer-Bolero, sondern von Agustm Lara, haha. Wer weiß… Ein Land von Schuhputzern und Boleros!«
»Und du? Wie heißt du, Blondkopf?«
»Blondkopf! Der sagt ›Blondkopf‹ zu mir! Nein, Mann, mich nennen alle ›den Pfarrer‹.«
»Warum?«
»Das weiß ich nicht. Womöglich, weil mein Papa Doktor ist. Mein zweiter Name ist Landa, ich stamme vom letzten Gouverneur ab, den diese Stadt früher mal hatte. Landa ist der Name meiner Mami.«
»Und wie heißt dein Papi?«
»Haha, lach nicht.«
»Du lachst doch selbst, Ochse.«
»Ochse! Der nennt mich einen ›Ochsen‹! Hahaha, nein, mich nennen sie den ›Pfarrer‹, mein Vater heißt auch Lopez, wie deiner. Das ist ungeheuer lustig! Hintenrum sind wir Namensvettern! Anastasio Lopez Landa. Nächsten Sonntag darfst du nicht fehlen. Du gefällst mir. Aber kauf dir eine geschmackvollere Krawatte. Die hier sieht aus wie eine Fahne.«
Was war eine geschmackvolle Krawatte? Wen sollte er danach fragen? Am nächsten Sonntag erschien er in Reitkleidung, mit Breeches und Stiefeln, kaffeebrauner Jacke und offenem Hemd. Und mit einer Reitgerte in der Hand.
»Wo reitest du, he du… wie heißt du?«
»Lopez, wie du. Danton Lopez.«
»Die Guillotine, hahaha! Was für ungeheuer originelle Eltern mußt du haben!«
»Die sind der Witz in Person. Der Zirkus Atayde engagiert sie immer, wenn weniger Zuschauer kommen.«
»Hahahaha, Danton! You're a real scream, you know.«
»Yeah, I'm thé cat's pyjamas«, wiederholte Danton einen Spruch aus einer amerikanischen Filmkomödie.
»Hört mal, Leute, der hier weiß alles. He's the bee's knees! Schlau wie die Mama von Tarzan!«
»Aber klar, ich hab das Ei des Kolumbus gefunden.«
»Und das Ei ist immer rund, hahaha. Ich wohne hier um die Ecke in der Amberes. Komm vorbei, und ich leih dir eine Krawatte, old sport.«
Er machte aus La Votiva und dem Jockey seine sonntäglichen Pflichtaufgaben, sie waren ihm heiliger als die Kommunion, die er empfing, um sich mit seinen neuen Bekannten gutzustellen, ohne gebeichtet zu haben.
Zuerst rief er Verwunderung hervor. Eingehend studierte er die Art, wie sich die jungen Leute kleideten, und ließ sich nicht von den abweisenden Manieren der Mädchen beeindrucken, obwohl er – er, der mit der ewigen Trauer und den geblümten Seidenkleidern der Provinz aufgewachsen war – noch nie so viele junge Mädchen in Kostüm oder Schottenrock mit Pullover, mit einer Strickjacke über dem Pullover und einer Perlenkette über dem Ganzen gesehen hatte. Ein spanisches Mädchen, Maria Luisa Elïo, fiel ihm durch ihre Schönheit und Eleganz besonders auf, sie war aschblond, groß und schlank wie ein junger Torero, trug eine Baskenmütze wie Michèle Morgan in den französischen Filmen, die sich alle im Trans Lux Prado ansahen, und dazu eine karierte Jacke und einen Plisseerock, und sie stützte sich auf einen Regenschirm.
Danton vertraute auf seine Potenz und Männlichkeit, ja, auch auf seine fremdartige Erscheinung. Er war braunhäutig wie ein Zigeuner und hatte nie seine kindlichen Wimpern verloren, sie beschatteten mehr denn je die grünen Augen und olivenfarbenen Wangen, die kurze Nase und die vollen, femininen Lippen. Er war einen Meter siebzig groß, breit gebaut und sportlich, besaß jedoch, wie man ihm gesagt hatte, die Hände eines Pianisten, wie die Chopin spielende Tante Virginia in Catemaco. Voller Vulgarität sagte sich Danton: »Diese feinen Stuten brauchen einen, der ihnen sein Zeichen in den Hintern brennt.« Und er bat Juan Francisco um
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