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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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›Wenn ich euch warten ließ, so deshalb, damit ihr das Fehlen meiner Geschenke spüren und euch noch mehr freuen solltet, sobald ihr sie wiederbekamt.‹ – ›Womit hast du das alles bezahlt?‹ habe ich Juan Francisco gefragt. – ›Mit den Beiträgen der Arbeiten, hat er mir gestanden. – ›Wußten sie das?‹ – ›Nein, ich habe ihnen gesagt, es wäre für die Opfer einer Epidemie nach der Überschwemmung des Rio Usumacinta.‹ Niemand hat darüber auch nur Buch geführt.
    Laura, hoffentlich kommst du eines Tages in deinen Heimatort zurück und siehst, wie hübsch der Altar aussieht, was Juan Francisco zu verdanken ist. Laura, verzeih den Menschen, die nicht mehr als das geben können, was sie in ihrem Inneren tragen. Oder wie man in meiner Heimat sagt: Dieses Leder gibt nicht mehr Riemen her – und dieser Pfarrer hat nicht mehr Oblaten zu bieten. Ich glaube nicht, daß wir uns wiedersehen. Ich möchte nicht, daß wir uns wiedersehen. Es hat mich große Überwindung gekostet, heute im Bestattungsunternehmen vor dir aufzutreten. Wie gut, daß du mich nicht erkannt hast. Her-gottverdammich! Nicht einmal ich selber erkenne mich mehr, ach, zum Teufel!
    Erinnere dich mit ein bißchen Liebe an Elzevir Almonte«
    Am Wochenende lieh sich Basilio Baltazar einen Wagen, und die beiden, Laura und ihr alter Freund, der spanische Anarchist, fuhren zusammen nach Cuernavaca.

 
XIX. Cuernavaca: 1952
     
    Laura tauchte in dem dicht von Bougainvilleen überwachsenen Swimmingpool unter und streckte dann den Kopf am Beckenrand aus dem Wasser. An den Seiten unterhielt sich eine große Gruppe von Ausländern, Männern und Frauen. Die meisten waren Nordamerikaner, ein paar trugen Badeanzüge, der Großteil war jedoch vollständig angezogen, die Frauen in weiten Röcken und »mexikanischen« Blusen mit kurzen Ärmeln und geblümtem Dekollete, die Männer in kurzärmeligen Hemden und Sommerhosen, und fast alle gewöhnten ihre Füße an die einheimischen Ledersandalen; ausnahmslos alle hielten ein Glas in der Hand, sie waren Gäste des großartigen englischen Kommunisten Fredric Bell, dessen Haus in Cuernavaca als Zufluchtsort derer diente, die in den Vereinigten Staaten zu Opfern der Verfolgungen McCarthys geworden waren.
    Beils Frau Ruth war Nordamerikanerin, und sie glich die Ironie ihres großgewachsenen britischen Gatten mit einer erdverbundenen, bodennahen Derbheit aus, als schleppte sie die Wurzeln aus ihrem Chicagoer Geburtsviertel mit sich herum. Sie war eine Frau der großen Seen und endlosen Prärien, die zufällig inmitten der Asphaltwüste der »Stadt der breiten Schultern« zur Welt gekommen war, wie Chicago vom Lyriker Carl Sandburg genannt wurde. Ruths Schultern trugen mühelos ihren Ehemann Fredric und seine Freunde, sie war der Sancho Pansa Fredrics, jenes blauäugigen Briten mit der breiten Stirn und dem schneeweißen, schütteren Haar rund um den Schädel mit der fleckigen Haut.
    »Ein Quijote der verlorenen Kämpfe«, sagte Basilio Baltazar zu Laura.
    Ruth besaß die Stärke eines Stahlwürfels, von den Zehenspitzen ihrer nackten, auf dem Rasen stehenden Füße bis zum natürlich gelockten, ergrauten kurzen Haar.
    »Fast alle sind Regisseure und Drehbuchautoren beim Film«, hatte Basilio erzählt, als sie auf der erst vor kurzem eingeweihten Autobahn nach Cuernavaca fuhren, die es ermöglichte, diese Strecke von Mexico-Stadt in nurmehr fünfundvierzig Minuten zurückzulegen. »Außerdem gibt es den einen oder anderen Lehrer, vor allem aber Theaterleute.«
    »Du bist gerettet, du gehörst zur Minderheit«, sagte Laura lächelnd. Sie hatte sich ein Tuch um den Kopf gebunden, um der stürmischen Fahrt in dem offenen MG standzuhalten, den der im mexikanischen Exil lebende Lyriker Garcia Ascot seinem Freund Basilio geliehen hatte.
    »Kannst du dir mich als Lehrer vorstellen, wie ich nordamerikanischen Fräulein der guten Gesellschaft im Vassar College spanische Literatur nahebringe?« fragte Basilio boshaft und heiter, während er geschickt die Kurven meisterte.
    »Hast du dort diesen Haufen Roter kennengelernt?«
    »Nein. Ich bin das, was man einen Moonlighter nennt, das heißt, an den Wochenenden habe ich einen unbezahlten Nebenjob an der New School for Social Research in New York. Dorthin kommen Arbeiter, Erwachsene, die früher keine Zeit für ihre Bildung hatten. Ich habe viele der Leute da getroffen, die du jetzt auch kennenlernen wirst.«
    Sie wollte Basilio um etwas bitten: daß er ihr gegenüber kein

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