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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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dem berühmten Theaterstück I remember Mamma«, beteiligte sich ein großer Mann mit einer schweren Schildpattbrille. »Sie arbeitete als Schauspiellehrerin an der Universität New York, aber ihre ständige Sorge war es, politischen Emigranten und Kriegsflüchtlingen zu helfen.«
    »Auch uns spanischen Emigranten hat sie ihren Schutz angeboten«, erinnerte sich Basilio. »So habe ich sie kennengelernt. Sie war eine sehr schöne Frau, ungefähr vierzig, blond, mit dem Profil einer nordischen Göttin und einem Blick, der sagte, ich gebe mich nicht geschlagen.«
    »Uns deutsche Schriftsteller hat sie geschützt, als uns die Nazis aus dem Reich vertrieben«, setzte ein Mann mit breiter Kinnlade und erloschenen Augen hinzu. »Sie hat ein Komitee zum Schutz der im Ausland Geborenen gegründet. Das war ein Verbrechen, das den Red Channels genügte, um sie als sowjetische Agentin anzuprangern.«
    »Mady Christians.« Basilio Baltazar lächelte zärtlich. »Ich habe sie vor ihrem Tod gesehen. Sie wurde von Kriminalbeamten befragt, die es ablehnten, sich auszuweisen. Sie bekam anonyme Anrufe. Man bot ihr keine Rollen mehr an. Dann wagte es doch jemand, aber die Inquisitoren schritten ein, und die Fernsehgesellschaft zog das Angebot zurück, obwohl sie sich bereit erklärte, auf ihre Gage zu verzichten. Wie kann man mit dieser Angst, dieser Ungewißheit leben? Die Verteidigerin der Emigranten ging selbst in die innere Emigration. Das ist unglaublich, konnte sie noch sagen, bevor sie fünfzigjährig an einem Gehirnschlag starb. Der Dramatiker Eimer Rice erklärte bei Madys Begräbnis, daß sie die Hochherzigkeit Amerikas verkörperte und man sie dafür mit Verleumdungen und Verfolgungen, Arbeitslosigkeit und Krankheit bestraft habe: ›Es nützt nichts, an das Gewissen der McCarthy-Leute zu appellieren, weil sie keines haben.‹«
    In Fredric Beils Haus sammelten sich zahllose Vergangenheiten, und je öfter Laura wiederkam, zuerst mit Basilio und dann allein, als der anarchistische Lehrer in die jungfräuliche Ordnung des Vassar College zurückgekehrt war, desto vollständiger trug sie die Geschichten zusammen und versuchte, die wirklichen Erfahrungen von den verletzten, unnötigen oder eilfertigen Selbstrechtfertigungen zu trennen. Das alles gab es.
    So viele Vergangenheiten Laura sammelte, so viele Ursprünge gab es auch. Unter den Wochenendgästen, von denen viele in Cuernavaca lebten, fielen besonders die mitteleuropäischen Juden auf – sie waren die ältesten Gäste, und ihre Frauen bildeten einen Kreis, um sich Geschichten von früher zu erzählen, einer scheinbar grauen Vorzeit, die jedoch nicht länger als ein halbes Jahrhundert zurücklag. (»So schnell ist die nordamerikanische Geschichte«, sagte Basilio.) Diese Menschen fanden lachend heraus, daß sie manchmal in polnischen Nachbardörfern oder wenige Kilometer von der Grenze zwischen Rumänien und Bessa-rabien geboren worden waren.
    Ein kleingewachsener Mann mit zitternden Händen und fröhlichen Augen erklärte es Laura: »Wir waren Schneider, Hausierer und Krämer, man hat uns als Juden diskriminiert, und wir sind nach Amerika ausgewandert. Aber in New York waren wir auch Ausländer, man diskriminierte uns wieder und schloß uns aus, also sind wir nach Kalifornien gegangen, wo es nur Sonne und Meer und Wüste gab, Kalifornien, wo der Kontinent endet, Miss Laura, wir sind alle in diese Stadt mit dem engelhaften Namen übergesiedelt. Engel über Engel. Der geflügelte Verein, der auf uns Juden aus Mitteleuropa zu warten schien, damit wir unser Glück dort machten, in Los Angeles, der Stadt, in der, wie unsere Gastgeberin Ruth erzählt, ein geflügeltes Wesen vom Himmel herabstieg und uns mit einem Schwertschlag die Erinnerung an das nahm, was wir einmal waren und nicht mehr sein wollten. Es stimmt, wir Juden haben nicht nur Hollywood erfunden, wir haben die Vereinigten Staaten so erfunden, wie sie nach unserer Vorstellung sein sollten, inbrünstiger als jeder andere haben wir den amerikanischen Traum geträumt, Miss Laura, wir haben dieses Land mit sofort erkennbaren Guten und Bösen bevölkert, haben den Guten immer zum Sieg geführt, den Guten mit der Unschuld vereint, dem Helden eine unschuldige Braut gegeben, haben ein fiktives, ländliches, dörfliches, freies Amerika geschaffen, in dem die Gerechtigkeit triumphiert, und tatsächlich wollten die Amerikaner genau das sehen, oder vielmehr wollten sie sich so sehen, in einem Spiegel der Unschuld und Güte, in

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