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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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besonderes Vergnügen, Schauspieler zu überprüfen, mit ihnen in Tuchfühlung zu kommen, mit Robert Taylor, Gary Cooper, Adolphe Menjou und Ronald Reagan abgebildet zu werden, sämtlich Denunzianten, oder mit Lauren Bacall, Humphrey Bogart, Fredric March, Lillian Hellman und Arthur Miller, die den Mut hatten, die Inquisitoren anzuprangern…)
    »Es ging um diese Alternative: Sie wollten uns unsere Individualität nehmen, um uns entweder zu Feinden oder zu Kollaborateuren zu machen, zu Spitzeln und Denunzianten, das ist das Verbrechen des McCarthyismus.«
    Lauras Kopf tauchte aus dem Wasser empor, sie sah die Menschen um das Schwimmbecken, dachte an das alles, und überraschend fiel ihr ein kleiner Mann mit schmalen Schultern und melancholischem Blick auf, er hatte dünnes Haar und ein derart sorgfältig rasiertes Gesicht, daß es wie ausgelöscht wirkte, als entrisse ihm das Rasiermesser allmorgendlich seine Physiognomie, die sich darauf den ganzen restlichen Tag darum bemühte, neu hervorzutreten und sich selbst wiederzuerkennen. Er trug ein ärmelloses, weites khakifarbenes Hemd und eine ebenfalls weite Hose in derselben Farbe, die von einem Gürtel aus Schlangenhaut festgehalten wurde, wie man sie in den Tropen bekommt, wo alles verwendet wird. Er trug keine Schuhe. Seine nackten Füße schmiegten sich in den Rasen.
    Laura stieg aus dem Becken und beobachtete ihn unablässig weiter, obwohl er sie nicht ansah, er sah niemanden an… Laura stieg aus dem Wasser. Niemand beachtete sie, den Körper einer fünfzigjährigen, aber appetitlichen Matrone. Die große und aus rechten Winkeln bestehende Laura hatte schon als Mädchen dieses Profil mit dem dreisten, herausfordernden Nasenrücken, keinem Kindernäschen wie einer Rosenknospe. Schon als Mädchen hatte sie jene fast goldenen Augen, die in einem Schleier von Augenringen verborgen lagen, dem Schleier des Alters, mit dem manche bereits geboren werden, wenn er sich normalerweise auch erst mit den Jahren einstellt. Ihre Lippen waren schmal wie die der Madonnen Memlings, als hätte jener Engel sie nie heimgesucht, der mit seinem Schwert die Oberlippe spaltet und bei der Geburt das Vergessen beschwört.
    »Das ist eine alte jüdische Sage«, erklärte Ruth, während sie einen neuen Krug Martini mixte. »Wenn ein Mensch geboren wird, steigt ein Engel mit einem Schwert vom Himmel herab, versetzt uns damit einen Schlag zwischen Nasenspitze und Oberlippe, und damit erzeugt er diese Spalte, die sonst unerklärlich wäre.« Ruth kratzte sich mit einem unbemalten Fingernagel an einem imaginären Oberlippenbärtchen, so einem wie dem des Erzkommunisten Chaplin. »Der Sage zufolge läßt uns diese Spalte alles vergessen, was wir vor unserer Geburt wußten, all unsere kurzzeitigen Erinnerungen im Inneren der Gebärmutter, einschließlich der Geheimnisse unserer Eltern und der Ruhmesgeschichte unserer Großeltern. Salud!« sagte die große Mutter der Völkerschaft von Cuernavaca – diesen Namen hatte ihr Laura unverzüglich gegeben, und lachend teilte sie ihn Basilio mit. Der Spanier gab ihr recht. »Das kann sie nicht verhindern, obwohl niemand hier wird zugeben wollen, daß er so eine Mutter braucht. Aber wer braucht keine Mama?« fragte Basilio lächelnd. »Vor allem, wenn sie jedes Wochenende eine unerschöpfliche Schüssel Spaghetti kocht.
    Die Hexenjäger haben eine Schmähschrift mit dem Titel Red Channels veröffentlicht. Um sich zu rechtfertigen, haben sie sich auf ihren Patriotismus und ihren wachsamen Antikommunismus berufen. Ohne Denunziationen wären sie und ihr Machwerk jedoch erfolglos geblieben. Fieberhaft haben sie nach Personen gesucht, die sich in die Sache hineinziehen ließen, manchmal aus derart grotesken Gründen wie etwa, daß sich jemand Schostako-witsch angehört oder Chaplin angesehen hatte… Wenn man in den Red Channels denunziert wurde, so war das der Anfang einer Kettenreaktion von Verfolgungen, die mit Briefen an die weitergingen, die den Verdächtigen beschäftigten, mit drohenden Anzeigen gegen die schuldige Gesellschaft, mit Telefonanrufen, die das Opfer einschüchtern sollten, bis das Ganze seinen Höhepunkt darin fand, daß der ›Ausschuß zur Untersuchung unamerikanischer Umtriebe‹ den Betreffenden zu einer Anhörung vor den Kongreß lud.«
    »Du wolltest mir von einer Mutter erzählen, Basilio.« »Frag irgendeinen von ihnen nach Mady Christians.« »Mady Christians war eine österreichische Schauspielerin, sie spielte die Hauptrolle in

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