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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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einem Land, wo Liebe und Gerechtigkeit stets siegen. Das haben wir, die verfolgten mitteleuropäischen Juden, dem amerikanischen Publikum gegeben. Und warum verfolgt man uns jetzt? Wir sollen Kommunisten sein? Wir, die Idealisten?«
    »Das gehört nicht hierher«, antwortete McCarthy schreiend.
    »Sie, Senator, Sie sind der Rote«, entgegnete der glatzköpfige Mann.
    »Der Zeuge macht sich des Vergehens der Mißachtung des Kongresses schuldig.«
    »Sie, Senator, stehen im Sold Moskaus.«
    »Entfernen Sie den Zeugen.«
    »Sie sind die beste Propaganda, die dem Kreml jemals eingefallen ist, Senator McCarthy.«
    »Schafft ihn hinaus! Mit Gewalt!«
    »Glauben Sie, daß Sie die amerikanische Demokratie verteidigen, wenn Sie wie Stalin handeln? Glauben Sie, daß man die Demokratie verteidigt, indem man den Feind nachmacht?« rief Harry Jaffe – mit diesem Namen sprach ihn Basilio Baltazar an. Sie waren Kampfgefährten von der Jaramafront: Vidal, Maura, Harry, Basilio und Jim. Sie waren Genossen.
    »Zur Ordnung! Der Zeuge ist der Mißachtung des Kongresses schuldig«, brüllte McCarthy mit seiner Stimme eines weinerlichen Kinderdiebs, den Mund zu einem ewig verächtlichen Lächeln verzogen, während ihm schon der Bart nachwuchs, den er erst vor zwei Stunden rasiert hatte, und seine Augen wie die eines Tiers aussahen, das sich selber in die Enge trieb: Joe McCarthy glich einem Tier, das ein Mensch war, der sich nach seiner früheren Freiheit zurücksehnte, nach der Freiheit der Bestie im Dschungel.
    »Schuld an allem waren die Warner Brothers«, mischte sich ein anderer ein, »sie haben die Politik in den Film gebracht, die soziale Thematik, Verbrechen, Arbeitslosigkeit, der Kriminalität ausgelieferte Kinder, die Grausamkeit in den Gefängnissen. Diese Filme sagten Amerika, du hast deine Unschuld verloren, du bist kein Agrarland mehr, du lebst in Städten, wo Elend, Ausbeutung, organisiertes Verbrechen und Kriminelle herrschen. Gangster und Bankiers.«
    »Wie Brecht gesagt hat: Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?«
    »Ich erkläre es dir«, antwortete ein alter Filmproduzent. »Ein Film ist ein Gemeinschaftswerk. Ein Schriftsteller mag noch so pfiffig sein, aber er kann L.B. Mayer oder Jack Warner nicht hereinlegen und ihnen ein rotes X für ein weißes U vormachen. Mayer schluckt keinen Betrug, weil er selber alle Täuschungen erfunden hat, deshalb hat er auch als erster seine eigenen Mitarbeiter denunziert. Der von den Lämmern betrogene Wolf. Der Wolf, der Vergebung findet, weil er die Schäfchen zur Schlachtbank geführt hat, um sich selber vor dem Messer zu retten. Welche Wut mußte ihn gepackt haben, daß McCarthy das Blut aller von Mayer engagierten Schauspieler und Schriftsteller schlürfte, und nicht er selbst!«
    »Rache ist süß, Theodore.«
    »Ganz im Gegenteil. Sie ist eine bittere Kost, wenn nicht du das Blut dessen trinkst, der durch deinen Verrat gekreuzigt wurde. Das ist der gallebittere Geschmack des Verrats, daß man schweigen muß, daß man sich nicht im Innern rühmen kann und mit der Schande lebt…«
    Harry Jaffe stand auf, steckte sich eine Zigarette an und ging in den Garten. Laura Di'az folgte der Spur seines Glühwürmchens, einer im dunklen Garten brennenden Camel.
    »Wir sind alle für einen Film verantwortlich«, erklärte der alte Produzent weiter, der Theodore hieß. »Aber Paul Muni ist nicht verantwortlich für AI Capone, weil er die Hauptrolle in Scarface gespielt hat, Edward Arnold genausowenig für den plutokra-tischen Faschismus, weil er ihn in Meet John Doe verkörpert hat. Wir alle, vom Produzenten bis zum Verleiher, sind allein für unsere Filme verantwortlich.«
    »Alle gemeinsam, Fuente Ovejuna!« sagte Basilio Baltazar lächelnd, ohne daß er befürchtete, von einem einzigen Gringo verstanden zu werden.
    »Nun ja«, sagte Elsa, die Frau des alten Produzenten, in naivem Ton. »Wer weiß, ob sie nicht recht hatten, als sie behaupteten, daß es eine Sache wäre, soziale Themen in der Zeit des New Deal zu behandeln, und eine andere, Rußland während des Kriegs zu verherrlichen.«
    »Es waren schließlich unsere Verbündeten!« rief Bell. »Man mußte die Russen sympathisch darstellen!«
    »Sie haben von uns verlangt, die prosowjetische Stimmung zu fördern«, griff Ruth ein. »Das haben Roosevelt und Churchill von uns verlangt.«
    »Und eines schönen Tages klopft jemand an deine Tür, und sie laden dich vor den ›Ausschuß‹, weil du Stalin als den

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