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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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Frack und die Mädchen in Kleidern, die verschiedenste modische Einflüsse verrieten und Laura zu der Überzeugung brachten, daß ein Mann in schwarzer Einheitstracht, mit weißer Krawatte und Pikee-Hemdbrust immer elegant aussehen und nie etwas riskieren würde, während eine Frau nicht umhin konnte, ihre persönliche, ausgefallene oder gängige, dabei jedoch stets willkürliche Vorstellung von Eleganz auf gefährliche Weise zu offenbaren.
    Noch hatte der Ball nicht begonnen, und jedes Mädchen erhielt vom Gutsverwalter eine Karte mit den Initialen der Hausherrin – DLT – und wartete bereitwillig darauf, daß die anwesenden Galane sie um einen Tanz baten. Laura und Elizabeth hatten ein paar von ihnen auf den weitaus weniger großartigen Festen im Casino von Xalapa gesehen, die aber nicht die beiden, die da noch fast Kinder ohne besonderen Liebreiz, mit flachen, kaum entwickelten Brüsten gewesen waren. Nun hatten Elizabeth und Laura beinahe schon vollendet weibliche Formen, traten selbstsicherer auf, als sie wirklich waren, und begrüßten zunächst Freundinnen aus der Schule und anderen Familien, während sie die steif in ihren Fracks steckenden Jungen herankommen ließen.
    Ein junger Mann mit karamelfarbenen Augen trat zu Elizabeth und bat sie um den ersten Tanz.
    »Vielen Dank. Ich bin schon vergeben.«
    Der Junge verbeugte sich sehr höflich, und Laura stieß ihre Freundin unauffällig mit dem Fuß.
    »Lügnerin. Wir sind gerade erst gekommen.«
    »Entweder fordert mich Eduardo Caraza als erster zum Tanz auf, oder ich tanze mit gar keinem.«
    »Was ist denn so Besonderes an deinem Eduardo Caraza?«
    »Alles. Das Geld. Good looks. Sieh ihn dir an. Da drüben steht er. Ich sag's dir doch.«
    Dieser Eduardo machte auf Laura keinen besseren oder schlechteren Eindruck als alle anderen. Was anzuerkennen und sogar zu bewundern war. Die gute Gesellschaft von Xalapa war eher weiß als mestizisch, Farbige wie Tante Maria gab es überhaupt nicht, allerdings war hier oder da jemand mit indianischen Gesichtszügen zu sehen – eben weil er sich sehen lassen konnte. Laura fühlte sich zu einem sehr braunhäutigen, schlanken Jungen hingezogen, er glich einem malaiischen Piraten aus den Romanen Emilio Salgàris, die Santiago ihr zusammen mit seiner übrigen Bibliothek vererbt hatte. Seine dunkle Haut war makellos rein, er war glattrasiert und bewegte sich langsam, geschmeidig und elegant. Er sah aus wie Sandokan, der indische Fürst des Romans. Er forderte sie als erster zum Tanz auf. Dona Genoveva hatte die Walzer an den Anfang des Programms gestellt, dann kamen die modernen Tänze und schließlich, als Rückgriff auf eine noch vor dem Walzer liegende Zeit, die Polkas, die Lanciers und die Madrider Ekossaise.
    Der indische Fürst sagte kein Wort, was Laura so sehr auffiel, daß sie sich fragte, ob sein Akzent, seine Beschränktheit die trügerische Eleganz des sich hierher verirrt habenden Malaien zerstören würde. Ihr zweiter Walzertänzer dagegen, der aus einer reichen Familie aus Cordoba stammte, redete wie ein Wasserfall und belästigte sie mit albernem Geschwätz über Hühnerzucht und -kreuzung, wobei er das alles nicht im geringsten anzüglich oder gar schelmisch meinte, sondern aus bloßer Dummheit so redete. Und der dritte, ein großer, rothaariger Bursche, den sie schon auf dem Tennisplatz gesehen hatte, wo er seine kräftigen, behaarten Beine zur Schau stellte, schreckte nicht davor zurück, Laura zu drangsalieren, indem er sie an seine Brust preßte, ihr mit seinen Oberschenkeln zu nahe kam und an ihrem Ohrläppchen knabberte.
    »Wer hat denn den Trottel eingeladen?« erkundigte sich Laura bei Elizabeth.
    »Sonst benimmt er sich eigentlich besser. Ich glaube, du hast ihn aus der Ruhe gebracht. Vielleicht ist ihm auch der Schnaps zu Kopf gestiegen. Wenn du willst, kannst du dich bei Dona Genoveva beschweren.«
    »Und du, Elizabeth?« fragte Laura weiter, während sie energisch den Kopf schüttelte.
    »Sieh ihn dir an. Ist er nicht charmant?«
    Der vielgerühmte Eduardo Caraza schwebte im Walzertakt vorüber, den Blick weltentrückt zur Decke gerichtet.
    »Du siehst ja. Er schaut seine Partnerin nicht einmal an.«
    »Er will selber bewundert werden.«
    »Darauf kommt es nicht an.«
    »Er tanzt sehr gut.«
    »Was soll ich machen, Laura, was?« stammelte Elizabeth, den Tränen nahe. »Nie und nimmer wird er auf mich verfallen.«
    Sobald die Musik verstummte, kam Dona Genoveva zu ihr und bat sie, aufzustehen und ihr

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