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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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nachdrücklich den Kopf: »Nein.«
    »Dann rette dich bald. Ich kann es nicht mehr. Ich bin gefangen. Mein Körper ist in meiner Gewohnheit gefangen. Ich schwöre, wenn ich meinem Körper entkommen könnte… Ich verabscheue ihn«, hauchte Laura Rivière mit einem unhörbaren Seufzer. »Weißt du, wohin das alles führt? Zu einem ständigen moralischen Katzenjammer, in dem du dich schließlich selber haßt.«
    »Sieh hin«, Orlando kam zurück und balancierte drei Manhattan auf seinen zusammengelegten Handflächen. »Bei der Größten Schauspielerin und dem Größten Narziß hat es bereits klick gemacht. Ich hatte recht. Die berühmten Frauen wurden von unschuldigen Männern erfunden.«
    »Nein.« Die Rivière nahm ihr Glas. »Von boshaften Männern, die uns zum Theaterspielen verurteilen.«
    »Meine Lieben«, unterbrach Carmen Cortina. »Habe ich euch schon Querubina de Landa vorgestellt?«
    »Niemand heißt Querubina de Landa«, sagte Orlando zu Carmen, zur Luft, zum Abend, zum Schatten der angekündigten Señorita Querubina de Landa, die am Arm des galanten Philosophen hing, dem Orlando ganz nebenbei an den Kopf warf: »Mit Recht nennen sie dich ›Den Großen Müllsammler‹.«
    »Was die Namen betrifft, mein lieber, wenn auch ungebildeter Orlando, so hat es niemand besser als Platon ausgedrückt: Es gibt konventionelle Namen, es gibt Namen, die den Dingen wesenseigen sind, und es gibt Namen, die mit Natur und Notwendigkeit harmonisch übereinstimmen, wie zum Beispiel Laura Rivière und Laura Dïaz. Gute Nacht.«
    O'Higgins verbeugte sich vor den Umstehenden und gab der konventionellen, natürlichen, harmonisch Querubina de Landa genannten Señorita einen Klaps auf den Hintern: »Let's fuck.«
    »Ich wette, daß sie in Wirklichkeit Petra Ferez heißt«, sagte die herzliche Gastgeberin und eilte davon, um ein ungewöhnliches Paar zu begrüßen, das gerade den Salon des Penthouse am Paseo de la Reforma betrat: einen hochbetagten Herrn am Arm einer fortwährend zitternden Dame.
    Laura Dîaz' Absätze hämmerten über den Bürgersteig der Allee. Sie lächelte und hielt Orlando am Arm gepackt. Sie sagte, sie hätten sich auf einer Hazienda in Veracruz kennengelernt, um schließlich in einem Penthouse am Paseo de la Reforma zu landen, dabei richteten sie sich nach den gleichen Regeln und Ansprüchen: daß sie von der Gesellschaft und deren Kaiserinnen –Dona Genoveva Deschamps in San Cayetano, Carmen Cortina in Mexico-Stadt – anerkannt oder mißbilligt würden.
    »Können wir uns nicht davonmachen? Wir treten nun schon achtzehn Monate auf der Stelle, mein Liebster.«
    »Für mich zählt die Zeit nicht, wenn ich mit dir zusammen bin«, sagte der nicht mehr so junge, glatzköpfige Orlando Ximénez.
    »Warum trägst du nie einen Hut? Das tust nur du.«
    »Genau deshalb: um der einzige zu sein.«
    In dieser kalten Dezembernacht liefen sie durch den mit Bäumen bepflanzten Teil der Allee. Der Weg aus lockerer Erde war für frühaufstehende Reiter angelegt.
    »Ich weiß immer noch nichts von dir«, wagte Laura, ihn zu fragen, und drückte seine Hand fester.
    »Ich verberge dir nichts. Du kennst nur das nicht, was du nicht wissen willst.«
    »Orlando, Abend für Abend, wie heute, hören wir nichts als fertige, vorbereitete, erwartete Sätze…«
    »Du mußt alles sagen. Verzweifelte Sätze.«
    »Weißt du was? Ich habe endlich begriffen, daß dieser Welt, in die du mich eingeführt hast, nicht wichtig ist, wie wir enden. Heute war für mich ein interessanter Abend: Laura Rivière und Artemio Cruz waren sich gegenseitig am wichtigsten. Er ist gegangen, der Abend hat schlecht geendet. Das ist das Wichtigste, was heute abend passiert ist.«
    »Erlaube, daß ich dich tröste. Du hast recht. Es ist nicht wichtig, wie wir enden. Es ist gut, wenn wir nicht merken, daß alles zu Ende ist.«
    »Oh, Liebster, ich habe das Gefühl, daß ich gerade eine kaputte Treppe hinabstürze…«
    Orlando hielt ein Taxi an und nannte eine Laura unbekannte Adresse. Der Fahrer starrte das Paar erstaunt an.
    »Wirklich, Chef? Sind Sie sicher?«
    1932 leerten sich die Straßen in Mexico-Stadt frühzeitig, die häuslichen Abendmahlzeiten fanden zu festen Zeiten statt, zu denen sich die ganze Familie versammelte, die fest zusammenhielt, als hätte der lange Bürgerkrieg – zwanzig ruhelose Jahre – sie gelehrt, in ständigem Schrecken zu leben, aneinandergeschmiegt, aufs Schlimmste gefaßt, Arbeitslosigkeit, Enteignung, Erschießung, Entführung,

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