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Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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dem Gezweig oder den Rosenbüschen unten am Ufer hängen geblieben wäre, so würden wir denselben wahrscheinlich schon binnen einer Stunde entdeckt haben.
    – An’s Werk also!« mahnte Benito.
    Es gab in der That keinen anderen Weg. Die Fahrzeuge näherten sich dem Ufer, und die mit langen Bootshaken versehenen Indianer begannen die Stelle des Flusses zu untersuchen, welche nahe der steilen Wand lag, über der vorher der Zweikampf auf dem beschränkten Plateau stattgefunden hatte.
    Der Ort selbst war leicht wiederzuerkennen. Längs der Kreidewand des Uferabhanges zog sich ein blutiger Streifen herab bis zur Oberfläche des Wassers; auch verriethen noch viele einzelne Blutstropfen auf den Blättern die Stelle, wo der Leichnam verschwunden war.
    Eine etwa fünfzig Fuß stromabwärts vorspringende Landspitze verursachte hier eine Art Wirbel und hielt das Wasser wie in einem geschlossenen Gefäße zurück. Am Strande selbst zeigte sich nicht die geringste Strömung, und die Stengel der Rosenbüsche ragten völlig unbewegt in die Höhe. Dieser Umstand ließ wohl darauf hoffen, daß auch Torres’ Körper nicht in das bewegtere Wasser hinausgezogen worden sein werde. Neigte sich selbst der Grund des Flusses nach der Mitte zu ziemlich stark, so konnte er doch nur wenige Meter vom Ufer weggeglitten sein, und auch da war eine regelmäßige Bewegung des Wassers noch nicht zu bemerken.
    Die Ubas und die Piroguen theilten unter einander die Arbeit, begaben sich nach den äußersten Grenzen des Wasserwirbels und begannen vom Umkreise nach dem Mittelpunkte zu jeden Fuß breit dieses Terrains genau abzusuchen.
    Trotz aufmerksamsten Sondirens aber wurde der Körper des Abenteurers hierbei nicht gefunden, weder in dem verworrenen Rosengebüsch, noch auf dem Grunde des Flußbettes, dessen Neigungsverhältnisse bei dieser Gelegenheit sorgfältig festgestellt wurden.
    Zwei Stunden nach Beginn der Arbeit gelangte man zu der Ueberzeugung, daß der Leichnam jedenfalls in schräger Richtung in’s Wasser gelangt und so weiter hinaus geglitten sei, wo jenseits der Grenze des Wasserwirbels die gewöhnliche Strömung hinabtrieb.
    »Deshalb haben wir noch nicht zu verzweifeln, sagte Manoel, und vor allen Dingen ist das keine Ursache, unsere Nachforschung etwa gar aufzugeben.
    – Müssen wir vielleicht, rief Benito, den Fluß in seiner ganzen Breite und in seiner ganzen Länge durchsuchen?
    – In seiner ganzen Breite, das könnte sein, antwortete Araujo, in seiner ganzen Länge glücklicher Weise nicht.
    – Und warum das nicht? fragte Manoel.
    – Weil der Amazonenstrom eine Meile stromaufwärts von seiner Vereinigung mit dem Rio Negro einen sehr scharfen Winkel bildet und sein Bett sich gleichzeitig ziemlich steil erhebt. Dort befindet sich also sozusagen ein natürlicher Damm, den die Schiffer unter dem Namen der Barre von Frias hinlänglich kennen, und den nur auf der Oberfläche des Wassers schwimmende Gegenstände passiren können. Diejenigen aber, welche die Strömung am Boden mit dorthin führt, bleiben unbedingt an dieser unsichtbaren steilen Wand hängen!«
    Wenn Araujo sich nicht täuschte, so bot dieser Umstand eine unerwartet glückliche Chance, und auf den alten Prakticus, der halb auf dem Amazonenstrome lebte, durfte man sich wohl einigermaßen verlassen. Seit dreißig Jahren schon diente er hier als Steuermann, und der Uebergang über die Barre von Frias, wo die Strömung des Wassers sich in Folge einer gleichzeitigen Einengung des Bettes nicht unerheblich steigerte, hatte ihm schon manche Stunde Arbeit und manchen Schweißtropfen gekostet. Die geringe Breite des schiffbaren Kanals, neben dem das Wasser nur sehr flach war, machte diese Passage außerordentlich schwierig, so daß hier schon mehr als ein Holztrain aus Rand und Band gegangen war.
    Araujo hatte also ganz recht, zu sagen, daß Torres’ Leichnam, wenn ihn das specifische Gewicht noch auf dem Sandboden des Strombettes festhielt, über diese Barre nicht hinausgeschwemmt sein konnte.
    Freilich später, wenn der Körper durch die Ausdehnung der Gase wieder auf die Oberfläche kam, unterlag es keinem Zweifel, daß derselbe, leichter als vorher, über die ihn jetzt festhaltende Barre hinausgetrieben werden mußte und dann als verloren zu betrachten war. Dieser rein physische Effect konnte jedoch vor Ablauf mehrerer Tage nicht wohl eintreten.
    Kaum mochte es einen Mann geben, der die Stromverhältnisse der großen Wasserader Brasiliens besser gekannt hätte, als der

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