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Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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ersticktem Schrei stürzte er den Abhang hinab. Mit den letzten Kräften versuchte er sich noch an den Rosenbüschen des Wasserrandes anzuklammern, vergebens – er verschwand in den Wellen des Stromes.
    Benito hatte sich auf Manoels Schulter gestützt; Fragoso drückte ihm die Hand. Er ließ seinen Freunden kaum Zeit, seine Wunde, die er nur für leicht erklärte, zu verbinden.
    »Nach der Jangada, rief er, nach der Jangada!«
    Auf’s Tiefste erregt folgten ihm Manoel und Fragoso nach.
    Eine Viertelstunde später trafen Alle an der Stelle, wo die Jangada verankert lag, ein. Benito und Manoel eilten in das Zimmer Yaquitas und Minhas und theilten ihnen mit, was geschehen war.
    »Mein Sohn! Mein Bruder!«
    In demselben Augenblicke wurden diese Rufe laut.
    »Jetzt nach dem Gefängniß! drängte Benito.
    – Ja! Ja! Komm! Komm!« sagte Yaquita.
    Gefolgt von Manoel, führte Benito seine Mutter fort.
    Sie gingen an’s Land, schlugen die Richtung nach Manao ein und standen eine halbe Stunde später vor dem Gefängnisse der Stadt.
    Auf die von dem Richter Jarriquez ergangene Verfügung fanden sie sofort Einlaß und wurden nach der Zelle des Verhafteten geführt.
    Die schwere Thür öffnete sich.
    Joam Dacosta sah seine Gattin, seinen Sohn und Manoel eintreten.
    »Ach, Joam, mein Joam! schluchzte Yaquita.
    – Yaquita, mein Weib, meine Kinder! rief der Gefangene, der die Arme ausbreitete und Alle an die Brust drückte.
    – Mein Joam ist unschuldig!
    – Unschuldig und gerächt!… setzte Benito hinzu.
    – Gerächt? Was willst Du damit sagen?
    –Torres ist todt, mein Vater, er fiel durch meine Hand!
    – Todt!… Torres!… Todt!… rief Joam Dacosta. Ach, mein Sohn… Du hast mich in’s Verderben gestürzt!«
Siebentes Capitel.
Entschlüsse.
    Wenige Stunden später war die ganze Familie wieder in dem großen Saale der Jangada versammelt. Alle befanden sich daselbst – bis auf den Gerechten, den eben der letzte schwere Schicksalsschlag getroffen. Benito stand zerknirscht da und klagte sich an, seinem Vater die letzte Aussicht auf Rettung geraubt zu haben. Ohne das Flehen Yaquitas, seiner Schwester, und ohne die ernsten Ermahnungen Padre Passanha’s und Manoels wäre der junge Mann in den ersten Stunden seiner Verzweiflung wohl jeder unüberlegten That fähig gewesen. Man hatte ihn aber stets im Auge behalten und keine Minute allein gelassen. Und doch hatte nur der Edelmuth seine Schritte geleitet, für seinen armen Vater Rache zu nehmen an dem elenden Denuncianten.
    Ach, warum hatte Joam Dacosta nicht Alles gesagt, bevor er von der Jangada geführt wurde! Warum hatte er sich vorbehalten, erst vor dem Richter jenes materiellen Beweises seiner Schuldlosigkeit zu erwähnen! Weshalb hatte er selbst nach der Aussetzung Torres’ bei seiner Unterredung mit Manoel nicht von jenem Documente gesprochen, das der Abenteurer im Besitz zu haben behauptete! Freilich konnte oder mochte er den Versuchungen des erbärmlichen
     

    Mit den letzten Kräften versuchte er sich anzuklammern. (S. 238.)
     
    Wichtes nicht allzuviel Glauben beimessen, und ganz sicher konnte er ja unmöglich sein, daß Torres jenes wichtige Schriftstück wirklich auch in Händen habe.
    Doch, wie dem auch sei, jetzt wußte die trauernde Familie Alles aus Joam Dacosta’s eigenem Munde. Alle hatten erfahren, daß nach Torres’ Aussagen ein Beweis für die Unschuld des Verurtheilten von Tijuco wirklich vorhanden, daß dieses Document von der Hand des wirklichen Urhebers des Ueberfalles niedergeschrieben sei, und daß der von Gewissensbissen gefolterte Verbrecher dasselbe im Angesichte des Todes seinem Gefährten Torres übergeben habe, der
     

    Die Fahrzeuge stießen von der Jangada ab. (S. 245.)
     
    niedrig genug gesinnt war, mit demselben, statt dem Wunsche des nun Verstorbenen nachzukommen, ein vortheilhaftes Geschäft verbinden zu wollen. Sie wußten freilich auch, daß Torres nun im Zweikampfe gefallen, daß sein Körper von den Wogen des Amazonenstromes verschlungen und er dahin gegangen sei, ohne nur den Namen des wirklich Schuldigen zu nennen!
    Ohne ein Wunder schien Joam Dacosta jetzt unwiderruflich verloren. Der Tod des Oberrichters Ribeiro einerseits und der gewaltsame Tod Torres’ andererseits – von diesen zwei unerwarteten Schlägen schien er sich nicht mehr erheben zu können. Wir müssen hier einfügen, daß die, wie gewöhnlich leicht erregte öffentliche Meinung sich in Manao ganz gegen den Gefangenen kehrte. Die so unerwartete Verhaftung

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