Die Jangada
ein reizendes Spiel, wenn man auch nicht allemal einen armen Teufel von Barbier am Ende findet!
– Der reine Zufall, Herr Fragoso, antwortete dann Lina, und ich versichere Ihnen, daß Sie mir gar keinen Dank schulden.
– Was! Ich verdanke Ihnen heute mein Leben, das ich mir noch hundert Jahre wünsche, um Ihnen zu zeigen, daß meine Erkenntlichkeit eben so lange dauern wird. Ja, sehen Sie, es war nicht meine Bestimmung, mich zu hängen. Wenn ich es versucht habe, so geschah es aus Zwang. Wenn ich mir Alles überlegte, zog ich es vor, auf diese schnelle Weise, als vielleicht durch Hunger zu sterben oder von Raubthieren verzehrt zu werden. O, diese Liane bildet ein gewisses Band zwischen uns, und Sie mögen nun sagen was Sie wollen…«
In solchem mehr scherzenden Tone ging die Unterhaltung gewöhnlich fort. Im Grunde war Fragoso der jungen Mulattin aber wirklich herzlich dankbar dafür, daß sie die Initiative zu seiner Rettung ergriffen hatte, und Lina ihrerseits schien gegen die Aeußerungen des munteren Burschen, der ihr in so vielen Stücken glich, auch nicht ganz unempfindlich zu sein.
Um auf die Jangada zurückzukommen, so wurde nach mannigfacher Verhandlung beschlossen, dieselbe so vollkommen und bequem wie möglich einzurichten, da die Reise ja mehrere Monate in Anspruch nehmen sollte. Die Familie Garral selbst bestand, wie wir wissen, aus dem Vater, der Mutter, dem jungen Mädchen, Benito und Manoel, nebst deren Dienstboten, Cybele und Lina, welche eine Wohnung für sich erhalten sollten. Hierzu kamen noch vierzig Indianer, vierzig Schwarze, Fragoso und der Steuermann, der die Führung der Jangada übernahm.
Dieses zahlreiche Personal reichte für den Dienst an Bord eben nur hin, da man viele Windungen des Stromes und Hunderte von Inseln und Eilanden, die jenen erfüllen, zu passiren hatte. Wenn die Strömung auch das Floß hinabtrug, so gab sie, ihm deshalb noch nicht die gewünschte Richtung. Deshalb bedurfte es jener hundert Arme, um den Holzzug mittelst langer Bootshaken in gleicher Entfernung von beiden Ufern zu halten.
Zuerst wurde die Erbauung des Herrenhauses auf dem Hintertheile der Jangada in Angriff genommen, und dieses mit fünf Zimmern und einem geräumigen Speisesaale ausgestattet. Eines der Zimmer war für Joam Garral und dessen Frau bestimmt, ein zweites für Lina und Cybele, um diese immer in der Nähe zu haben; ein drittes für Benito und Manoel. Minha sollte ein Zimmer, dem es nach keiner Seite an Bequemlichkeit fehlte, für sich allein bewohnen.
Das Hauptwohnhaus wurde aus dachziegelförmig gelegten Planken erbaut und letztere mit siedendem Harz begossen, wodurch sie gänzlich undurchdringlich wurden und unter allen Verhältnissen trocken bleiben mußten. Vorn und an den Seiten angebrachte Fenster gewährten ihm hinlängliche Beleuchtung. An der Vorderseite befand sich die Thür, welche in den gemeinschaftlichen Saal führte. Eine leichte Veranda, zum Schutz vor den directen Sonnenstrahlen, ruhte auf schlanken Bambus. Das ganze war mit heller Ockerfarbe gestrichen, welche die Wärme zurückstrahlt, statt sie aufzusaugen, und dadurch den inneren Räumen eine erträglichere Temperatur sicherte.
Als aber »die grobe Arbeit«, wie man sagte, nach Joam Garral’s Plane vollendet war, mischte sich Minha in die Sache ein.
»Da wir nun, lieber Vater, begann sie, Dank Deiner Sorge glücklich unter Dach und Fach sind, wirst Du uns gestatten, Deine Wohnung einzurichten, wie es uns gefällt. Das Aeußere ging Dich an, das Innere gehört in unser Bereich. Die Mutter und ich wünschten es so einzurichten, als ob das ganze Haus von der Fazenda die Reise mitmachte, so daß Du fortwährend noch in Iquitos zu sein glauben sollst.
– Ordne Alles nach Deinem Belieben, antwortete Joam Garral trübe lächelnd, wie man es noch dann und wann an ihm bemerkte.
– O, das wird reizend werden!
– Ich verlasse mich ganz auf Deinen guten Geschmack, mein liebes Kind!
– Und er soll uns Ehre machen, Papa, antwortete Minha, er muß es um des herrlichen Landes willen, durch das unsere Reise führt, um jenes Landes willen, das ja eigentlich unsere Heimat ist und in welches Du nach so langjähriger Abwesenheit zurückkehrst…
– Ja, ja, Minha, sagte Joam Garral etwas nachdenklich. Es sieht fast aus, als ob wir aus der Verbannung zurückkämen… aus freiwilliger Verbannung! Thue also Dein Bestes, liebe Tochter! Meine Zustimmung hast Du im Voraus!«
Dem jungen Mädchen und Lina, denen sich unaufgefordert
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