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Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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vorstehen, während das Herz nicht afficirt wird und ungestört weiter schlägt, bis das Leben überhaupt erlischt. Leider kennt man gegen diese Vergiftung, welche sich zuerst durch Lähmung der Glieder kundgiebt, kein wirksames Gegenmittel.«
    Die Muras schritten, trotz ihres ausgesprochenen tödtlichen Hasses gegen alle Weißen, glücklicher Weise nicht zu Feindseligkeiten. Sie besitzen heute auch offenbar nicht mehr den Muth ihrer berüchtigten Vorfahren.
    Mit sinkender Nacht erklangen hinter den Bäumen der Insel einige Melodien in Moll von einer fünflöcherigen Flöte. Eine andere antwortete der ersten. Dieser Austausch kleiner Musikstücke währte nur wenige Minuten, dann verschwanden die Muras.
    In einer Anwandlung fröhlicher Laune wollte ihnen Fragoso schon durch ein Liedchen antworten; aber Lina beeilte sich, ihm noch rechtzeitig den Mund zu schließen und ihn daran zu hindern, sein bescheidenes Sängertalent, mit dem er überhaupt ziemlich freigebig war, auch bei dieser unpassenden Gelegenheit an den Mann zu bringen.
    Am 2. August Nachmittags drei Uhr langte die Jangada zwanzig Meilen weiter bei dem Eingange zum Apoara-See an, der den Fluß gleichen Namens mit seinem düsteren Wasser speist; und zwei Tage später hielt sie gegen fünf Uhr an der Einfahrt nach dem Coary-See an.
    Es ist das einer der größten unter den vielen, mit dem Amazonenstrome in Verbindung stehenden Landseen und er dient als Sammelbecken für verschiedene Rios. Er nimmt fünf oder sechs Zuflüsse auf, welche sich darin vermischen und durch einen engen »Furo« nach der Hauptader abströmen.
    Nachdem noch der Flecken Tahua-Miri in Sicht gekommen, der, um vor Hochwasser geschützt zu bleiben, auf Pfeilern wie auf Stelzen erbaut ist, was bei dem niedrigen Strande gewiß als nothwendige Maßregel anzuerkennen ist, legte die Jangada am Ufer an, um die Nacht über zu halten.
    Man befand sich jetzt gegenüber dem Dorfe Coary, mit einem Dutzend ziemlich verfallener, unter dichten Orangen-und Flaschenkürbisbäumen verstreuter Häuser. Es mag kaum einen wechselvolleren Anblick geben als den dieses Weilers, je nachdem der benachbarte See bei hohem und anderentheils bei niedrigem Wasserstande eine große spiegelglänzende Fläche oder nur einen schmalen Kanal bildet, der nicht einmal Tiefe genug hat, um den Verkehr mit dem Amazonenstrome zu ermöglichen.
    Am folgenden Tage, dem 5. August, früh Morgens wurde die Reise wieder fortgesetzt. Man passirte da den Kanal von Yucura, ein Glied des so verwickelten Systems der Seen und Furos des Rio Yapura, und am 6. des Morgens langte man bei dem Eingange zum Miana-See an.
    An Bord war nichts Besonderes vorgefallen, und das Leben daselbst verlief mit fast methodischer Regelmäßigkeit.
    Fragoso, den Lina immer in Athem hielt, ließ Torres niemals aus den Augen. Mehrmals versuchte er auch, jenem Mittheilungen über seine Vergangenheit zu entlocken; der Abenteurer vermied es aber sorgfältig, auf dieses Thema einzugehen, und zog sich endlich mehr denn vorher von dem Barbier zurück.
    Seine Beziehungen zu der Familie Garral blieben immer dieselben. Mit Joam selbst sprach er nur wenig, sondern richtete seine Worte lieber an Yaquita und deren Tochter, scheinbar ohne der letzteren frostiges Benehmen gegen ihn zu bemerken. Beide trösteten sich übrigens mit der Aussicht, daß Torres nach Ankunft der Jangada in Manao diese verlassen und man dann nichts weiter von ihm hören werde. Deshalb befolgte auch Yaquita den Rath des Padre Passanha, der sie ermahnte, sich in Geduld zu fassen; mehr Mühe hatte der gute Padre freilich mit Manoel, der große Neigung verrieth, jenen so unglücklicher Weise auf der Jangada mit eingeschifften Eindringling in die gebührenden Schranken zurück zu weisen.
    Der einzige erwähnenswerthe Vorfall im Laufe dieses Abends war folgender:
    Auf dem Strome trieb eine Pirogue hinab, welche, von Joam Garral angerufen, an die Jangada herankam.
    »Du gehst nach Manao? fragte der Fazender den Indianer, welcher das Fahrzeug führte.
    – Ja, antwortete der Indianer.
    – Und wirst dort eintreffen?…
    – Binnen acht Tagen.
    – Dann kommst Du weit eher als wir daselbst an. Würdest Du es übernehmen, einen Brief an seine Adresse zu besorgen?
    – Recht gern.
    – So nimm dieses Schreiben, guter Freund, und bring’ es nach Manao!«
    Der Indianer nahm den Brief, den ihm Joam Garral hinabhielt, entgegen und eine Handvoll Reis als Belohnung für die zugesicherte Besorgung.
    Von den Mitgliedern der

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