Die Jangada
Entschluß in dieser Frage schon gefaßt.
Da trat der Steuermann Araujo, der den Strom in der Nähe betrachtet hatte, an die beiden jungen Männer heran.
»Haben Sie sich entschieden, fragte er, ob die Jangada bei der Insel Muras verankert bleiben oder in den Hafen von Manao geführt werden soll?«
Hierüber mußte man jedenfalls vor Anbruch der Nacht schlüssig werden und das Für und Wider also sofort erwägen.
Die Neuigkeit von der Verhaftung Joam Dacosta’s mußte sich in der Stadt wohl bereits verbreitet haben Unzweifelhaft reizte sie die Neugier der Bewohner Manaos. Konnte sie aber nicht auch noch mehr erregen als bloße Neugier wegen des Verurtheilten, wegen des Urhebers des schmachvollen Verbrechens in Tijuco, das seiner Zeit in Aller Munde gewesen war? Wenn das Volk nun gar unruhig wurde und seinem Abscheu gegen jene Unthat, welche noch nicht einmal gesühnt schien, Ausdruck gab? Wenn das zu befürchten war, so schien es doch rathsamer, die Jangada bei der Insel Muras, am rechten Stromufer und einige Meilen von Manao entfernt, liegen zu lassen.
Die Entscheidung schwankte mehrfach nach der einen und anderen Seite.
»Nein, rief endlich Benito, wenn wir hier bleiben, so hieße das, meinen Vater verlassen und an seiner Unschuld zweifeln; es erschiene, als fürchteten wir, mit ihm gemeinschaftliche Sache zu machen. Wir müssen nach Manao gehen und das ohne Zögern!
– Du hast Recht, Benito, antwortete Manoel, laß uns dahin aufbrechen!«
Araujo nickte ebenfalls beistimmend mit dem Kopfe und traf die nothwendigen Maßregeln, um von der Insel abzustoßen. Dieses Manöver erheischte einige Vorsicht. Es galt ja, in schräger Linie durch den Amazonenstrom und auch noch gegen die Wassermassen des Rio Negro anzufahren, welche sich zwölf Meilen weiter flußabwärts durch dessen weite Einmündung wälzten.
Die an der Insel befestigten Taue wurden gelöst. In die Strömung zurückgeschoben, begann die Jangada langsam in schräger Richtung weiter zu treiben. Araujo benutzte verständig die natürlichen Bogen der sich an Landvorsprüngen brechenden Strömung, um das ungeheuere Floß in gewünschtem Kurse zu erhalten, wozu die langen Bootshaken noch weiter beitrugen.
Zwei Stunden später schwamm die Jangada am anderen Ufer des Amazonenstromes, etwas oberhalb der Mündung des Rio Negro, wo die einen Strudel bildende Strömung sie nach dem unteren Ufer der weiten Bucht an der linken Seite jenes Nebenstromes hintrieb.
Um fünf Uhr endlich lag die Jangada fest vertaut längs dieses Uferlandes, nicht im Hafen von Manao selbst, den sie nur durch mühsames Ankämpfen gegen das schnell dahineilende Wasser hätte erreichen können, aber doch auch nur eine kleine Meile unterhalb desselben.
Der Holztrain ruhte jetzt auf den schwarzen Fluthen des Rio Negro, dicht an einer erhöhten Uferwand mit braunroth knospenden Cecropias und einer Art Schutzwand aus jenen geradstengligen, »Froxas« genannten Rosenbüschen, aus denen die Indianer sich Schußwaffen herzustellen pflegen.
Einzelne Bewohner der Stadt lustwandelten am Strande. Allem Anscheine nach mochte sie die Neugier bis nach dem Ankerplatze der Jangada verlockt haben. Die Nachricht von der Verhaftung Joam Dacosta’s verbreitete sich gewiß schnell in der Ortschaft; die Neugier der Manaoenser verleitete diese jedoch nicht bis zur Indiscretion, sie hielten sich wenigstens in anständiger Entfernung.
Benito gedachte eigentlich noch denselben Abend an’s Land zu gehen; Manoel rieth ihm aber davon ab.
»Warte bis morgen, sagte er, schon kommt die Nacht, und es scheint mir besser, wir verlassen die Jangada während derselben nicht.
– Du hast Recht, also morgen!« antwortete Benito.
Eben trat Yaquita, gefolgt von ihrer Tochter und dem Padre Passanha, aus dem Wohnhause. Wenn Minha noch in Thränen schwamm, so waren die Augen ihrer Mutter trocken, und Energie und Entschlossenheit sprach aus deren ganzer Erscheinung. Man fühlte es heraus, daß diese Frau jetzt zu Allem bereit war, ebenso ihre Pflicht zu thun, wie ihr Recht zu beanspruchen.
Yaquita ging langsam auf Manoel zu.
»Manoel, hören Sie, was ich Ihnen zu sagen habe, denn ich darf nicht zögern, dem Drange meines Gewissens Genüge zu thun.
– Ich höre!« antwortete Manoel.
Yaquita sah ihm voll und frei in’s Angesicht.
»Als Sie gestern, fuhr sie fort, ein Gespräch mit Joam Dacosta, meinem Manne, hatten, kamen Sie darauf zu mir und nannten mich: Meine Mutter! Sie ergriffen die Hand Minhas und sagten zu
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