Die Jangada
erhalten, das Urtheil, welches über Sie gefällt wurde, auszuführen. Wenn jener Torres, wie Sie angeben, das wichtige Document besitzt, das Ihre Unschuld beweist, so bemühen Sie sich selbst, durch Ihre Familie und durch Vermittlung jedes Anderen darum, daß dasselbe rechtzeitig bei Gerichtsstelle eingeliefert werde. Trifft die Ordre einmal ein, so kann von weiterem Aufschube keine Rede sein, und die Gerechtigkeit muß ihren Lauf haben!«
Joam Dacosta verneigte sich.
»Wird es mir nun gestattet sein, mein Weib und meine Kinder zu sehen? fragte er.
– Von jetzt ab, wann Sie wollen, antwortete der Richter Jarriquez; Sie kommen nicht wieder in so strenge Hast, und man wird Jene zu Ihnen führen, sobald sie sich anmelden lassen.«
Der Beamte klingelte. Einige Wärter traten in den Saal und führten Joam Dacosta ab.
Als Jarriquez ihn zur Thür gehen sah, schüttelte er den Kopf.
»Hm, hm, murmelte er, die Sache scheint mir doch eigenthümlicher, als ich zu Anfang geglaubt hätte!«
Sechstes Capitel.
Der letzte Schicksalsschlag.
Während Joam Dacosta dieses Verhör bestand, erhielt Yaquita in Folge einer Anfrage Manoels Nachricht, daß sie und ihre Kinder noch an demselben Tage Nachmittags vier Uhr zu dem Gefangenen Zutritt haben sollten. Seit dem vorigen Tage hatte Yaquita ihr Zimmer nicht verlassen. Minha und Lina blieben bei ihr bis zu der Stunde, wo es ihr gestattet sein würde, den unglücklichen Gatten wieder zu sehen. Ob Yaquita Garral oder Yaquita Dacosta – jedenfalls sollte er in ihr das treuliebende Weib, die unerschrockene Genossin seines ganzen Lebens wiederfinden.
Gegen elf Uhr desselben Tages trat Benito an Manoel und Fragoso, welche auf dem Vordertheil der Jangada plauderten, heran.
»Manoel, begann er, ich hätte eine Bitte an Dich.
– Und welche?
– Auch an Sie, Fragoso.
– Ich stehe Ihnen zu Befehl, Herr Benito, antwortete der Barbier.
– Was meinst Du? fragte Manoel mit aufmerksamem Blicke auf seinen Freund, der durch seine Haltung verrieth, daß in seinem Innern ein unerschütterlicher Entschluß gereist sei.
– Ihr glaubt doch noch immer an die Unschuld meines Vaters, nicht wahr? fragte Benito.
– O, rief Fragoso, so fest, daß ich mich eher selbst jenes Verbrechens für schuldig halten könnte.
– Nun denn, heute gilt es das Vorhaben auszuführen, das ich gestern schon andeutete.
– Torres aufzusuchen?
– Ja, und von ihm zu erfahren, wie er den Zufluchtsort meines Vaters entdeckt haben kann. Hier liegen noch irgend welche Geheimnisse verborgen. Sollte er ihn schon früher gekannt haben? Das ist nicht möglich, denn mein armer Vater hat Iquitos seit mehr als zwanzig Jahren niemals verlassen, und jener Schurke zählt selbst kaum dreißig. Dieser Tag geht aber nicht zu Ende, ohne daß ich darüber Aufklärung habe, oder wehe dem schändlichen Torres!«
Ueber Benitos Entschluß ließ sich nicht rechten, auch versuchten weder Manoel noch Fragoso, ihn von seinem Vorhaben abzubringen.
»Ich ersuche Euch Beide also, fuhr Benito fort, mich zu begleiten. Wir brechen sofort auf, denn wir dürfen Torres nicht erst Zeit lassen, aus Manao zu entweichen. Sein Stillschweigen zu verkaufen hat er keine Aussicht mehr, so dürfte ihm dieser Gedanke doch bald kommen. Vorwärts also!«
Alle Drei gingen am Ufer des Rio Negro an’s Land und schlugen den Weg nach der Stadt ein.
Manao war nicht so groß, als daß man es nicht binnen wenigen Stunden hätte durchsuchen können. Wenn es nicht anders ging, sollte Haus für Haus nach Torres geforscht werden; vorerst erschien es jedoch rathsam, sich an die Wirthe der Gasthäuser oder Lojas zu wenden, wo der Abenteurer vielleicht Unterkommen gesucht hatte. Wahrscheinlich mochte der vormalige Waldkapitän einen wahren Namen verheimlicht haben, aus wohlbegründeter Vorsicht, mit der Polizei nicht selbst in Berührung zu kommen. Befand er sich aber überhaupt noch in Manao, so konnte er den Nachforschungen der jungen Leute doch unmöglich entgehen. An die Polizei brauchte man sich deshalb offenbar nicht zu wenden, denn es war anzunehmen – wir wissen, daß diese Annahme völlig richtig war – daß die Denunciation des Schurken anonym erfolgt sei.
Eine Stunde lang liefen Benito, Manoel und Fragoso durch die Hauptstraßen der Stadt, fragten alle Kaufleute in ihren Läden, die Wirthe in den Lojas, selbst die ihnen Begegnenden, ohne daß jemand derselben sich erinnern konnte, eine Persönlichkeit, wie die von ihnen genau beschriebene, gesehen zu
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