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Die Janus-Gleichung

Die Janus-Gleichung

Titel: Die Janus-Gleichung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Spruill
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aufgehört hatte zu schlagen. Sie hatte es Roshoff mitgeteilt, und dieser hatte nur genickt, so als ob es die natürlichste Sache der Welt sei, daß das Herz eines Mannes einfach ohne ersichtlichen Grund zu schlagen aufhörte. Essian nahm einen Schluck und fragte sich, ob der Mann wohl gewußt hatte, was ihm seine Auftraggeber angetan hatten; ob er wohl wußte, daß man ihm einen Kommandosender in seine Hirnrinde eingepflanzt hatte, der so stark war, daß er alle anderen Teile des Gehirns ausschaltete, sobald er einen von außen kommenden Schlüsselreiz erhalten hatte? Daß es augenblicklich die Tätigkeit des großen roten Muskels im Zentrum seines Körpers lähmen würde, so daß das Blut nicht mehr floß und er starb: hatte er das gewußt?
    An der Tür läutete es, und Essian ließ Jill eintreten. Sie trug einen fließenden, schwarzseidenen Dinneranzug. Er sog ihr Parfüm ein, eines von den neuen geruchsverändernden Düften von Occidental, das im Augenblick leicht nach Vanille roch. Bevor er noch ein Wort sagen konnte, platzte sie schon heraus. »Was ist mit dir geschehen?«
    Essian führte sie auf die Couch und ging dann an die Bar, um ihr einen Scotch einzugießen. »Weshalb meinst du denn, daß etwas geschehen sein müßte?«
    Sie nahm das Glas und ließ den Blick nicht von seinem Gesicht, während er sich neben sie setzte. »Vielleicht kann ich ja hellsehen«, sagte sie, »aber vielleicht sind es auch nur deine beiden Veilchen.« Ihre bekümmerte Stimme strafte die schnippischen Worte Lügen.
    Essians Hand tastete über sein Gesicht. »Nimmst du mich auch nicht hoch? Hab ich wirklich zwei blaue Augen?«
    »Paul, hör endlich auf damit!«
    »Ich wurde mit einem Lähmer beschossen«, sagte er, wobei seine Hände noch immer prüfend über das Gesicht fuhren.
    Sie nippte am Glas. »Worüber reden wir nun als Nächstes?«
    »Im Ernst.«
    »Ich weiß.« Sie stellte das Glas auf den Tisch, das leise klirrte, als sie die Hand zurückzog. »Schieß los.«
    Essian ließ sich von seinen eigenen Argumenten überzeugen: Sie hatte ebenso wie er einen Ausweis von Meridian ausgestellt bekommen, der ihre Loyalität bewies; Ameritec – oder sonstwer – wußte sowieso schon über die Janus-Gleichung Bescheid und bei Gott, diese Hunde hatten versucht, ihn umzubringen! Essian erzählte ihr alles – alles über die Janus-Gleichung, über Droits Anwerbungsversuche auf Betreiben von Ameritec, über seine wochenlangen vergeblichen Bemühungen, mit der Gleichung weiterzukommen, über das darauffolgende Meningigram bei Golding, die Unterredung im Keller mit dem Mann, dessen Gesicht er nicht erkennen konnte, über den kleinen, aber bedeutsamen Fortschritt, den er gerade vor dem Anschlag erzielt hatte. Als er endlich geendet hatte, starrte sie ihn geistesabwesend an. Da er die Anzeichen tiefer Konzentration bemerkte, wartete Essian geduldig.
    »Es gibt keinen Ausweg, nicht wahr? Wenn du versuchen würdest auszusteigen, dann legten dir deine eigenen Leute die Daumenschrauben an. Eine so außergewöhnliche Sache kann man nicht mehr aufgeben, wenn sie erst einmal begonnen wurde.«
    Er nickte, dankbar, daß sie nicht darüber lamentierte wie Winters es getan hatte.
    »Paul, eine Zeitmaschine.« Sie trank den Scotch aus und lehnte sich zurück. Auf ihren Wangenknochen erschienen zwei rote Flecken. »Was wirst du wegen des Ultimatums unternehmen?« fragte sie ihn.
    »Ich habe versucht, darüber nachzudenken, aber die Antwort bleibt immer die gleiche. Es gibt nichts, das ich tun könnte. Wenn ich bei Meridian um mehr Schutz nachsuche, dann ende ich eingesperrt in einer ihrer Zellen anstatt in einem anderen Städteturm – Schutzhaft nennen sie das. Und außerdem besteht die Möglichkeit, daß derjenige, der mich geschnappt hat, blufft. Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, daß sie so kurz nach ihrem Angebot schon jemand schicken sollen, der mich aus dem Wege räumt. Und wenn sie versuchen sollten, mich auf Dauer von hier zu entfernen, dann entfesseln sie damit einen Krieg der Konzerne.«
    »Trotzdem, nichts zu tun ist…«
    »Jill, ich habe keine andere Wahl. Es gibt nichts, das einen Erfolg versprechen würde. Und ich brauche all meine Kraft für die Gleichung.«
    Sie nickte. »Paul, ich würde sie mir gerne ansehen. Würdest du sie mir zeigen?«
    Langsam ging Essian die beiden Treppenabsätze zum Schlafzimmer hinauf; nahm sich sehr feierlich viel Zeit für eine Entscheidung, die er bereits getroffen hatte. Als er zurückkam, hielt er

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