Die Jerusalem-Krise
bestimmt noch nicht daran gewöhnt hatte.
Er ließ sein Schwert fallen.
Zuerst wunderte ich mich, dann nahm ich es als ein friedliches Zeichen hin. Meine Annahme wurde bald bestätigt, denn er sagte mit leiser, aber fester Stimme: »Ich glaube dir...«
»Danke.«
»Aber ich will dich sehen. Ich will dir von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Ich will den Edlen kennen, der so viel über mich weiß.«
Ich musste lachen, denn ein Edler war ich bestimmt nicht. Sein Wunsch war verständlich, und ich ging auch darauf ein. »Gut, wenn das so ist, dann werden wir es versuchen.«
»Wie denn?«
»Ich werde dich führen, warte es ab!«
»Gut.«
Mir war die Idee gekommen, wie ich meine Unsichtbarkeit eventuell rückgängig machen konnte. Schon einmal hatte mir das Kreuz geholfen. Ich hoffte darauf, dass es mich auch jetzt nicht im Stich ließ.
Obwohl ich für andere Menschen nicht zu sehen war, bewegte ich mich normal wie immer. Dazu gehörte auch der Griff in die rechte Tasche, in der mein Kreuz steckte. Möglicherweise brauchte ich nur wieder den Kontakt, um die Zustände zu verändern.
Ich hielt es in der Hand, aber Henry St. Clair sah es nicht. Er blickte nur weiterhin ungläubig nach vorn und konnte seine Spannung kaum unterdrücken.
Merkte er etwas?
Es konnte sein, denn mein Kreuz wies eine leichte Erwärmung auf. Es strahlte gegen meine Handfläche, und das ließ meine Hoffnung wieder aufflammen.
»Du kannst jetzt auf mich zukommen. Lausche immer meiner Stimme nach. Sie wird dir den Weg weisen.«
»Gut, ich komme jetzt.«
St. Clair war ein Kämpfer. Jetzt aber zitterte er, als er vorging. Er merkte, dass möglicherweise etwas Unwahrscheinliches passieren würde und war entsprechend nervös.
Ich beobachtete ihn genau, weil ich auch nichts falsch machen wollte. Es war ein Experiment, das auch schief gehen konnte, aber das würde sich noch zeigen.
Als er nur knapp einen Schritt von mir entfernt war und er mich längst hätte anfassen können, stoppte ich ihn mit einem geflüsterten »Stopp!«
Er blieb tatsächlich stehen.
»Jetzt tue genau das, was ich sage, Henry. Ich weiß noch immer nicht, ob es gelingt, aber ich hoffe es.«
»Ja, ich warte.«
»Streck mir deine rechte Hand entgegen, bitte.«
»Und dann?«
»Tu es einfach!«
Er folgte meiner Aufforderung. Ich stellte fest, dass seine Hand zitterte. Kein Wunder, auch mir wäre es so ergangen. Er hatte eine kräftige Hand mit kräftigen Fingern, die es gewohnt waren zuzupacken. Wie ein Teller lag die Handfläche vor mir.
Ich hob meinen rechten Arm ein wenig an und sorgte dafür, dass meine Hand über der anderen schwebte. Er konnte sie nicht sehen, aber er fühlte etwas.
»Ich spüre dich«, flüsterte er, »du bist so nahe. Ja, sehr nahe...«
»Das ist gut Henry. Ich möchte dir nur noch sagen, dass ich dir gleich etwas in deine Hand legen werde.«
»Was ist es?«
»Vertraue mir.«
»Ja, du weißt so viel mehr als ich.«
»Ich glaube, da irrst du dich.«
Noch schwebte das Kreuz über seiner Hand. Dann ließ ich es nach unten sinken, hielt die Kette allerdings noch mit den Fingerkuppen fest, um das Kreuz so schnell wie möglich wieder zurückziehen zu können, wenn irgendetwas Schlimmes passierte.
Darauf deutete nichts hin.
Henry zuckte mit den Augen. Genau einen Wimpernschlag später fiel das Kreuz auf seine Handfläche.
Und wieder erlebte ich das Wunder. Diesmal nur in eine andere Richtung. Der Kontakt war da. Plötzlich entstand ein Lichtblitz, und ich fühlte mich von zahlreichen Händen gepackt. Ich drehte mich um die eigene Achse, obwohl ich in Wirklichkeit stehen blieb.
Dann sah ich die unbeschreibliche Fassungslosigkeit im Gesicht des Gegenübers und wusste, dass ich sichtbar geworden war...
***
Suko konnte nichts tun. Er musste in dieser für ihn demütigenden Haltung bleiben, denn Alan Long war blitzschnell bei ihm und presste ihm die Mündung einer Waffe gegen den Kopf.
»Ich kann dich erschießen, Chinese, und ich werde es auch tun, wenn du versuchst, ein falsches Spiel zu treiben, und uns hintergehst. Ist das klar?«
»Ich weiß Bescheid.«
»Hört sich gut an!«
Vor Suko stand Doreen Kelly. Sie hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt und schaute nach unten. Das Licht reichte aus, um sie erkennen zu lassen, dass Suko noch nicht wieder voll fit war, und danach fragte sie ihn auch.
»Es geht dir nicht gut – oder?«
»Mir ging es schon besser.«
»Aber ich bewundere dich. Ich kenne Menschen, denen das
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