Die Jerusalem-Krise
das Bild.
Ich sah die drei Männer, die von einem Menschen gemalt worden waren, der Visionen besaß, den ich aber leider nicht mehr hatte kennen lernen können. Ich scheute mich nicht, von einem kleinen Wunder zu sprechen, und ich wusste auch, dass mir so etwas immer wieder begegnen konnte, das war einfach mein Schicksal. Es gab eben für den Sohn des Lichts nicht nur Vorteile.
Drei Männer der Geschichte auf einem Wandgemälde!
Wieder merkte ich den Schauer. Die übrige Welt war für mich in diesem Fall nicht mehr wichtig. Ich musste mir die Personen immer wieder anschauen. Als ich Jacques de Molay mit meinem Kreuz berührt hatte, verschwand er und hatte mir den Weg freigegeben.
So gab es wieder eine Verbindung zwischen ihm und mir. Die zweite, denn die erste war der Knochensessel, der bei meinen Templer-Freunden in Alet-les-Bains stand.
Einmal hin, einmal wieder zurück!
Eine dritte Möglichkeit gab es für mich nicht. Diese Chance hatte mir das Schicksal gelassen, und ich würde auch nicht zögern, sie zu ergreifen.
Ich wollte nicht abwarten, bis der gesamte Schatz verstaut worden war, sondern mich auf den »Weg« machen. Es gab in meinem Innern noch die Sorge um Suko, denn ihn hatte ich zurücklassen müssen. Ebenso wie die drei Agenten, die nicht eben Suko’s Freunde oder Verbündete waren. Deshalb konnte ich hier nicht länger bleiben. Außerdem hatte ich genug erfahren.
Ich sah es nicht, aber es war zu spüren, dass sich mir jemand näherte. Es war keiner der Soldaten, denn als ich mich nach links drehte, sah ich Henry St. Clair.
Er nickte mir zu. Obwohl sein Gesicht einem wilden Spiel aus Hell und Dunkel ausgesetzt war und sich Rußpartikel auf seine Haut gelegt hatten, sah ich ihm an, dass ihn die gleichen Gedanken bewegten wie mich.
»Du willst uns verlassen, John?«
»Ich muss es tun.«
»Ja, ich weiß.«
Ich warf einen Blick auf das Bild. »Es ist meine letzte Chance, die mir ein unbekannter Maler gelassen hat, der wirklich mehr wusste. Ich hätte ihn gern kennen gelernt.«
»Er war ein Mönch. Ausgestoßen von seinem Orden. Er hat bei mir Zuflucht gefunden, und ich habe viel von ihm gelernt. Leider bist du zu spät gekommen.«
»Man kann eben nicht alles haben.«
»Es ist schade, dass du gehen musst. Ich hätte dich gern mit über das große Meer genommen, denn ich weiß nichts von dieser Neuen Welt, aber du weißt alles.«
Ich winkte ab. »Alles weiß man nie, mein Freund. Ich weiß auch nicht, ob uns das Schicksal, das sich ja nicht um die Zeit zu kümmern braucht, noch einmal zusammenführt. Möglich ist alles. Ich schließe nichts mehr aus im Leben.«
»Und ich werde oft an dich denken.«
»Umgekehrt wird es auch so sein, Henry.« Ich nickte ihm zu. »Du darfst schon jetzt stolz sein auf dich, denn du wirst die Reise in das fremde Land schaffen. Du wirst dort auch deine Spuren hinterlassen, denn der Orden der Templer ist in der Neuen Welt wieder aufgeblüht. Sogar die ersten Männer im Staate dort gehörten den Templern an, und das ist auch dir zu verdanken, Henry.«
»Danke, dass du mir Mut gemacht hast, John.«
»Es musste sein.« Ich schaute wieder auf das Bild. Die Minute des Abschieds war da. Obwohl ich Henry St. Clair nur für kurze Zeit gesehen hatte, war er mir zu einem Freund geworden. Da gab es schon eine gewisse Seelenverwandtschaft.
»Bevor du endgültig gehst, habe ich noch eine Frage, John.«
»Bitte!«
Ich sah den etwas besorgten Ausdruck in seinen Augen, als er sprach. »Du weißt jetzt, wo sich der Schatz der Templer befindet. Sehr tief in der Erde und noch unter der Krypta. Wirst du nun dafür sorgen, wenn du wieder bei dir zu Hause bist, dass er ausgegraben wird?«
Ich blickte ihn länger an. Plötzlich gab es nur ihn und mich. »Traust du mir das wirklich zu, Henry?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Danke«, flüsterte ich. »Du musst dir wirklich keine Sorgen machen, ich werde schweigen wie ein Grab. Vielleicht wird ein Freund erfahren, wo sich der Schatz befindet. Bei ihm ist das Geheimnis ebenso gut aufbewahrt wie bei mir. Das solltest du dir immer vor Augen halten. Die Welt braucht ihn nicht, aber die Welt kann weiterhin darüber rätseln, ob es ihn je gegeben hat.«
»Das stellt mich sehr zufrieden.«
Danach umarmten wir uns. Es war der Abschied, und beide atmeten wir tief durch, als wir uns voneinander lösten.
Henry trat zur Seite. Er gab seinen Leuten die An-
Weisung, den Weg freizugeben, was sie auch taten. Sie ließen die Kisten los und
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