Die Jerusalem-Krise
ich lachend. »Ich komme praktisch aus ihr. Aber in meiner Zeit.«
Im folgenden Augenblick sah Henry St. Clair aus, als wollte er vom Boden abheben. »Es... es... gab sie?«, flüsterte er und schüttelte den Kopf. »Es gab sie wirklich?«
»Sie ist nicht zerstört. Natürlich sieht sie nicht so aus wie jetzt. Die Zeit hat ihre Spuren hinterlassen, aber man kann sie noch betreten, und ich gelangte in ihre Krypta...«
»Du hast das Bild gesehen?«
»Ja, aber es ist verschwunden. Ich bin hineingegangen.«
»Bitte«, flüsterte er und konnte nicht mehr ruhig bleiben. »Hast du den Mann mit dem Kreuz gesehen?«
»Sicher.«
»Du weißt, wer er ist?«
»Nein.«
»Dann will ich es dir sagen. Es ist Jacques de Molay, der Letzte der Templer. Er ist der Mann mit dem Kreuz, und er wurde als Sinnbild für jemanden gemalt, der kommen wird, um uns zu besuchen.« Henry schaute mich an. »Und jetzt bist du da.«
»Ich?«, hauchte ich.
»Wer sonst? Der Maler kannte dich nicht. Aber er hatte Visionen und Vorstellungen. Er hat immer gesagt, dass jemand kommen wird, der wie Jacques de Molay ist. Der sich nicht stoppen lässt und alles verteidigt, was ihm hoch und heilig ist, so wie er es getan hat, bevor ihn das Feuer vernichtete.« Er hob drei Finger in die Höhe. »Wichtige Männer. Hugo de Payens, Jacques de Molay und ich. Aber Jacques war mehr, das wusste der Maler. Vor seinem Tod hat er noch davon gesprochen, dass irgendwann irgendjemand erscheinen wird, der ebenfalls ein Kreuz besitzt. Nur wusste er nicht genau, wie das Kreuz aussah, sonst hätte er es Jacques in die Hand gemalt. Er war die Spur zu dir. Und hier haben wir uns getroffen.«
Ich nickte. »Ja«, sagte ich leise und von den Eindrücken überwältigt. »Hier haben wir uns getroffen. Das Bild wurde in meiner Zeit gefunden, und es hatte noch die Kraft besessen, mich auf deine Spur zu bringen. Ich kann dir jetzt nicht alles erzählen, aber es ging nicht nur um den Schatz. Zumindest für mich. Ich habe das Bild nutzen können, um zu dir zu reisen, aber jetzt existiert es nicht mehr.«
Henry musste erst nachdenken. »Was? Hat man es zerstört?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, so kann man es nicht nennen. Aber ich trage die Schuld daran.«
»Warum?«
»Das Kreuz und das Bild sind eine Verbindung eingegangen. Ich sah, wie Jacques de Molay sich auflöste, und das ist auch mit den anderen beiden geschehen. Es existiert nicht mehr. Jetzt glaube ich, dass es nur für meine Reise gemalt worden ist, damit ich Klarheit bekomme. Wenn du eine andere Meinung hast, dann sage sie bitte.«
»Nein, die habe ich nicht.«
»Gut.«
Es war nicht gut, denn er hob die Schultern. »Wenn es das Bild nicht mehr gibt, wie willst du dann wieder zurück?«
»Das weiß ich noch nicht. Ich hoffe aber, dass sich ein Weg findet. Zunächst werde ich bei dir bleiben. Denn wenn die Menschen verschwunden sind, rechne ich damit, dass das Tor nicht geschlossen ist.«
Henry nickte. »Du kannst Recht haben, mein Freund. Aber das Tor ist nicht für jeden da. Es kann sehr grausam werden, wenn ein anderer versucht, es zu durchschreiten. Der Maler hat es nur für einen Menschen geschaffen, und das bist du.«
»Das weiß ich inzwischen. Wir haben uns jetzt ausgetauscht, und ich möchte dich in deiner Arbeit nicht aufhalten. Was hattest du in dieser Nacht alles vor?«
»Ich wollte den Schatz in die Kirche bringen und ihn dort verbergen.«
»Dann tu das.«
Er schaute mich skeptisch an. »Dazu aber muss ich meine Soldaten holen. Sie sind mir treu ergeben. Keiner von ihnen würde sich an dem Schatz vergreifen. Ich werde sie auch mit auf die Schiffe nehmen, damit wir uns verteidigen können.«
Ich breitete die Arme aus. »Es ist deine Arbeit, die getan werden muss. Ich stehe nur daneben, aber ich darf zuschauen – oder?«
»Darum möchte ich dich sogar bitten.«
»Dann lass uns an die Arbeit gehen. Die Nacht ist zwar lang, aber manchmal kann sie auch sehr kurz werden.«
Genau dieses Fazit hätte auch aus meiner Zeit stammen können. Gewisse Vorgaben änderten sich eben nie...
***
Ich war entdeckt und angeschaut worden. Zwischen den Soldaten kam ich mir vor wie ein Pinguin in der Sahara. Ich sah so völlig anders aus. Ich trug die andere Kleidung, und ich war nicht bewaffnet, was zu dieser Zeit fast unmöglich war.
Henry St. Clair hatte seine Soldaten eingeteilt. Sie schleppten die Kisten aus seinem Zelt, luden sie auf Wagen und ließen diese von Pferden ziehen, die nahe der Kirche
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