Die Joghurt-Luege
Bt-Mais gefressen hatten, starben. 42 Zwar warnte das Team um John Losey in der Nature- Veröffentlichung vor übereilten Reaktionen: »Inwieweit der Bt-Mais für frei lebende Monarchen und andere Schmetterlinge eine Gefahr darstellt, muss noch untersucht werden.« Doch allein der Fakt, dass der genveränderte Mais – entgegen den Beteuerungen der Hersteller – auch einer anderen Insektenart als dem Maiszünsler schadete, genügte, das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Lebensmittelproduzenten und die grüne Gentechnik insgesamt zu erschüttern. Das Sterben der Schmetterlinge unter Laborbedingungen diente Umweltschützern und Gegnern der grünen Gentechnik als PR-Steilvorlage. Verbraucher, mit Detailwissen ohnehin nicht sonderlich vertraut, reagierten entsprechend emotional und bekundeten ihre Abscheu. Als Schmetterlinge verkleidete Umweltschützer besetzten in Siegerlaune Gentech-Felder. Gentechnisch veränderte Nahrungspflanzen, so schien es, hatten ausgespielt. Weil die Kontrahenten den Kampf vorwiegend medial führten, schreckten sie vor nichts zurück. So wanderte der damalige Direktor von Greenpeace Großbritannien, Oberhausmitglied Lord Melchett, wegen der Besetzung eines Maisfeldes medienwirksam hinter Gitter. Erst nach Zahlung einer Kaution erlangte der ehemalige Staatssekretär die Freiheit zurück. Der Lord hatte im Sommer 1999 mit 27 Aktivisten in der Nähe von Norwich ein 2,4 Hektar großes Versuchsfeld mit gentechnisch verändertem Mais zerstört.
Nach den ersten Bewilligungen für gentechnisch veränderte Sojabohnen und Mais im Jahr 1996 nahm der Druck auf die EU kontinuierlich zu. Die Länder wehrten sich dagegen, dass sich kein Mitgliedsstaat gegen eine Bewilligung gentechnisch veränderter Nutzpflanzen sperren konnte. Der wachsende Unmut führte schließlich dazu, dass 1998 die Mehrheit der EU-Länder das Bewilligungsverfahren blockierte, damit keine weiteren gentechnisch veränderten Pflanzen mehr zugelassen werden konnten – ein bis dahin einzigartiges De-facto-Moratorium. Es folgte die vollständige Überarbeitung der Richtlinien, die den Umgang mit solchen Organismen in der Europäischen |229| Union regeln. In der Zeit zwischen 1998 und 2004 legte die EU weitere Zulassungsanträge auf Eis. Vor allem die USA als größter Produzent und Exporteur gentechnisch veränderter Agrarprodukte forderten immer wieder ein rasches Ende des De-facto-Moratoriums und leiteten deshalb im Jahr 2003 mit Unterstützung von Argentinien und Kanada vor der Welthandelsorganisation (WTO) ein Streitschlichtungsverfahren gegen die Europäische Kommission ein.
Nahezu zeitgleich lieferten Wissenschaftler weitere Hinweise für mögliche Risiken der grünen Gentechnologie. So stellten britische Wissenschaftler fest, dass einige gentechnisch veränderte Pflanzen das Gleichgewicht von Wildpflanzen durcheinander bringen und das Leben der von ihnen abhängigen Insekten beeinträchtigen. Auf den untersuchten Feldern mit genetisch verändertem Winterraps hatten die Forscher fast zwei Drittel weniger Schmetterlinge und nur halb so viele Bienen wie auf konventionell bewirtschafteten Äckern gezählt, weil nach dem Spritzen lediglich der herbizidresistente Raps übrig geblieben war, alle anderen Pflanzen dagegen gingen ein. Diese aber bilden die Nahrungsgrundlage für alle möglichen Arten von Insekten. Die Ergebnisse sind das Resultat einer dreijährigen Studie, die die britische Regierung in Auftrag gegeben hatte; das Fachblatt Proceedings of the Royal Society berichtete schließlich darüber.
Dass auch Säugetiere in Mitleidenschaft gezogen werden könnten, versucht die Umweltschutzorganisation Greenpeace, die zu den härtesten Gegnern der grünen Gentechnik zählt, immer wieder zu beweisen. Besonders spektakulär war die Meldung, auf einem Bauernhof in Wölfersheim, Hessen, seien zwölf Kühe verendet, nachdem sie mit Bt-Mais gefüttert worden waren. Greenpeace zufolge hatten die Tiere zwischen 1997 und 2001 gentechnisch veränderten Mais (Bt 176) der Firma Syngenta gefressen. Der Konzern stritt erwartungsgemäß einen Zusammenhang zwischen der fraglichen Fütterung und dem Tod der Tiere ab. Auch eine weitere Veröffentlichung aus dem Jahr 2004 sorgte für Wirbel. Greenpeace hatte einen Untersuchungsbericht des Forschungszentrums für Milch und Lebensmittel in Weihenstephan/Bayern vorgelegt, aus dem hervorging, dass Teile der Erbsubstanz von Roundup-Ready-Soja sowie von |230| Mais Bt 176 in Milchproben auftauchten,
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