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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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standhalten, sondern von der rettenden Felskante gerissen werden und in den Abgrund stürzen.
    Byron und Horatio feuerten sich gegenseitig mit gellenden Schrei en an, während hinter ihnen ein ohrenbetäubendes Kreischen, Bers ten und Donnern einsetzte, als der erste der beiden hinteren Wohn-türme wankte, aus seiner Grundfeste kippte, in mehrere Teile aus einanderbrach und unter dem tosenden Prasseln sich auflösender Gesteinsmassen den inneren Burghof unter sich begrub.
    Als diese Woge, die aus Tausenden Tonnen mächtigen Gesteins bestand, donnernd dort aufschlug, dabei die niedrigen vorgelager ten Gebäudekomplexe gleich so mühelos mit zerstörte, als wären sie nicht aus Stein, sondern aus dünnen Hölzern errichtet worden, und zugleich eine gewaltige Wolke aus Schnee, Dreck und Gesteinssplit tern aufwirbelte, ging ein noch heftigerer Stoß durch den Felssporn.
    Byron und Horatio hatten zu diesem Zeitpunkt gerade mal die Hälfte der Zugbrücke hinter sich gebracht. Unter dem Druck wölb ten sich nun die Balken wie Federn unter ihnen und schleuderten sie von den Beinen.
    Schmerzhaft prallte Byron gegen eine der schweren Eisenketten, die auf beiden Seiten als Geländer dienten, und konnte sich gerade noch rechtzeitig daran festhalten. Doch Horatio rutschte mit den Beinen voraus an ihm vorbei über die schneeglatten Planken und drohte im nächsten Moment in den Abgrund zu stürzen, weil seine Hände nirgendwo Halt fanden.
    Byron handelte, ohne nachzudenken. Er warf sich mit ausgestreck ten Armen nach vorn, bekam ihn zu fassen und hielt ihn fest. Im nächsten Moment fegte die schmutzig weiße Wolke wie eine stürmi sche Böe über sie hinweg.
    »Weiter! Weiter!«, brüllte Byron, half Horatio auf die Beine und tau melte mit ihm über die unter ihnen ächzende und schwankende Brü cke der nahen Rettung entgegen.
    Kaum hatten sie den festen Grund der Bergkuppe erreicht, als die Bohlen hinter ihnen splitterten und die Eisenketten rissen. Benom men wankten sie auf Harriet und Alistair zu, die ihnen schon entge gengerannt kamen. Hinter ihnen ging das Bersten, Kreischen und Donnern stürzender Mauern weiter.
    »Gott sei Dank, du lebst, Byron!«, rief Harriet erlöst und fügte dann rasch noch hinzu: »Und du auch, Horatio!«
    »Verdammt, da habt ihr aber die Spannung wirklich auf die Spitze getrieben, Freunde! Das war verflucht gutes Timing!«, rief Alistair und schlug ihnen in einer etwas steifen Geste der Anerkennung auf die Schulter. Aber schon im nächsten Atemzug fragte er: »Und? Habt ihr Mortimers Hinweis gefunden?«
    Horatio rang nach Luft und nickte. »Alles in Byrons Notizbuch. Noch brauchst du deine 4 000 Pfund also nicht abzuschreiben.«
    Alistair lachte. »Dann ist ja alles in Butter. Wir haben übrigens die Pferde und den Schlitten in Sicherheit gebracht. Außerdem haben wir Draculas Quasimodo bei uns. Er hat ordentlich mit angepackt. Ich denke, der Bucklige könnte ganz nützlich sein und uns nach Pi teschti bringen. Bin sicher, dass er den Weg kennt und mit den Pfer den umgehen kann.«
    »Erstaunlich weitsichtig von euch«, erwiderte Horatio, mit einem abgekämpften Lächeln.
    Inzwischen hatte sich die Wolke aus Staub und Schnee gelegt. Und nun sahen sie das ganze Ausmaß der Zerstörung. Die Burg bildete ein einziges Trümmerfeld. Die beiden hinteren Wohntürme waren völlig eingestürzt, die kleineren Wehrtürme rechts und links vom Torhaus ragten wie verfaulte Zahnstümpfe empor und in den Mauern klafften riesige Lücken. Zudem hatte sich ein tiefer und breiter Riss in der Wand des Felssporns gebildet und es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis der Druck der Trümmermassen diesen Spalt noch tiefer treiben und zum Abbruch des Felsens führen würde. Dann würde ein Großteil der zer störten Burg mit ihm in die Schlucht stürzen. Danach würde kaum noch jemand, den es in diese einsame Region verschlug, ahnen, dass hier ein mal hoch über dem Abgrund eine Burg gethront hatte.
    Byron sprach ein stummes Gebet für Aurelius van Helsing, dem sie einiges vorzuwerfen, aber auch nicht wenig zu verdanken hatten, und kehrte der Ruine den Rücken zu.
    »Der Weg zurück nach Piteschti wird lang und beschwerlich«, sagte er, immer noch nach Atem ringend. »Also lasst uns keine weitere Zeit vergeuden.«

17
    A listairs Hoffnung, dass der Bucklige das Vierergespann der nacht schwarzen Pferde zu führen verstand, erwies sich zu ihrer großen Er leichterung als richtig. Bogan machte seine Sache gut. Kundig jagte er die

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