Die Judas-Papiere
dass dieses schwimmende Kasino für sie nichts weiter als eine der vielen Sehens würdigkeiten Konstantinopels war.
Er stellte jedoch keine Fragen, zumal dazu auch keine Zeit blieb, und nickte. »Wenn es Ihnen so wichtig ist, werde ich Ihnen den Ge fallen natürlich gern tun, Mister Byron! Es wird mir sogar ein Vergnü gen sein, ihn gehörig zu beeindrucken. Zum Glück kann man sich ja hinterher die Hände waschen!« Und damit setzte er ein strahlendes Lächeln auf, als hätte man eine Lampe angeschaltet.
Ahmet Murats Gesicht hatte beim Anblick des Waffenhändlers, der ständig mit den Mächtigen der Welt an einem Tisch saß und Geschäf te mit ihnen machte, einen geradezu verzückten Ausdruck ange nommen. Basil Sahars Besuch in seinem Kasino musste ihm wie ein Ritterschlag vorkommen.
Der Kasinobesitzer war von mittelgroßer Gestalt, jedoch mit brei ten Schultern und einem kräftigen Brustkorb. Volles schwarzes Haar bedeckte seinen Kopf und so schwarz war auch sein Schnurrbart, bei dem man unwillkürlich an die dichten, harten Borsten einer Bürste denken konnte. Das Gesicht zeigte die Spuren ungehemmter Ge nusssucht und ging wie sein Bauch schon sichtlich auseinander. Aber trotz Doppelkinns und schwammiger Wangen fanden sich in seinem Gesicht noch genügend harte Züge und ließen erahnen, dass er in jüngeren Jahren vermutlich das Aussehen eines Mannes gehabt hat te, mit dem man sich besser nicht anlegte. Zu einer gestärkten wei ßen Hemdbrust trug er einen perfekt sitzenden Anzug aus schwar zer Seide, der ihm auf den Leib geschneidert worden war. Und so ru binrot wie die Vorhänge waren die feinen Paspelierungen an den Re vers und Taschen. In der Mitte seiner silbergrauen Krawatte funkelte eine diamantene Nadel.
Mit ausgestreckten Armen kam er auf den Waffenhändler zu. »Ba sil, mein Freund!«, rief er freudestrahlend, als wären sie in ihrer Ju gend nicht bittere Konkurrenten gewesen. »Das nenne ich eine Über raschung!«
»Konnte es mir doch nicht entgehen lassen, endlich einmal dein glitzerndes Reich zu bewundern, mein bester Ahmet!«, erwiderte Ba sil Sahar und ließ die Umarmung des Mannes, den er aus tiefstem Herzen verachtete, über sich ergehen.
»Wir müssen unbedingt von den alten Zeiten reden, Basil! Und na türlich brenne ich darauf, von dir zu hören, was du so treibst und was dich wieder mal in deine alte Heimat gebracht hat. Man hört und liest ja so einiges Aufregende über dich!«, sprudelte Ahmet Murat hervor. Sein Englisch war hart, aber fließend. »Doch ich wusste ja im mer, dass aus dir mal etwas Großes wird.«
»Ja, ich erinnere mich«, erwiderte Basil Sahar hintersinnig.
»Bei Allah, wir haben uns so viel zu erzählen!«
»Gewiss, gewiss, mein Bester«, sagte der Waffenhändler. »Aber vor her möchte ich dir meine illustren Begleiter und Freunde vorstellen, mit denen ich das Vergnügen hatte, die Reisetage im Orient-Express zu verbringen.«
Ahmet Murat lächelte verbindlich. »Ich kann es nicht erwarten, ihre Bekanntschaft zu machen!«
»Zuerst ist es mir eine Ehre, dir die weltberühmte Miss Harriet Chamberlain-Bourke vorzustellen!«, begann Basil Sahar und trug gleich mächtig dick auf. »Ihr Ruf als Seilakrobatin und Messerwerfe rin ist wahrlich legendär. Ihre tollkühnen Darbietungen rauben ei nem den Atem, wie ich aus eigener Erfahrung sagen kann!«
Nicht nur Ahmet Murat machte große Augen, sondern auch Har riet. »Nun übertreiben Sie aber, Mister Sahar!«, sagte sie mit einem reizend verlegenen Lächeln.
»Und bescheiden ist sie auch noch, obwohl sie doch in den größten Häusern der Welt aufgetreten ist!«, ergänzte Basil Sahar, um dann auf Byron zu deuten. »Was Mister Byron Bourke, ihren Bruder, be trifft, so sollte man versuchen, ihn als Anlageberater zu gewinnen, hat er doch ein goldenes Händchen an der Londoner Börse bewie sen, wie sein enormes Vermögen beweist, das er in wenigen Jahren mit Aktienspekulationen gemacht hat.«
»Nun ja, ein wenig Glück gehört auch dazu«, sagte Byron mit einem verhaltenen Lächeln.
»Und Mister McLean«, so fuhr Basil Sahar vollmundig fort, »ist mit dem Glück gesegnet, schon in jungen Jahren Alleinerbe einer ganzen Kette von Druckhäusern und Verlagen zu sein, deren Führung er sei nem Onkel übertragen hat, um frei für die Beschäftigungen zu sein, die ihm mehr liegen, als hinter einem Schreibtisch zu sitzen und sein Druckimperium zu verwalten.«
Alistair grinste. »Sehr treffend formuliert. Ich ziehe es vor,
Weitere Kostenlose Bücher