Die Judas-Variante - V3
Lathe. »Wie sieht die Einkaufspassage
aus?«
»Alle möglichen Hintereingänge, Korridore, Nischen und Ritzen«, sagte Shaw und schaute ihn mit
einem Stirnrunzeln an. »Aber der Schacht zur U-Bahn geht vom Spielkasino aus, nicht von der
Passage.«
»Ich halte es für eine gute Idee, wenn wir uns teilen«, schlug Lathe vor. »Dann müssen sie
nämlich zwei Ziele verfolgen statt einem.«
»Ich halte das für keine gute Idee«, widersprach Shaw. »Zumal ich hier der Einzige bin, der das
Tunnelsystem kennt.«
»In diesem Fall bleibt das andere Paar eben an der Oberfläche«, entgegnete Lathe. »Es gibt da
draußen genug Menschen und Gebäude, um unterzutauchen.«
»Ich halte das immer noch nicht für eine gute Idee«, sagte Shaw pikiert. »Aber ich gehe davon
aus, dass Ihre Entscheidung bereits feststeht. Na schön. Ich werde mit Caine in den Untergrund
gehen, und ihr zwei könnt mit der Sicherheit Hasch mich spielen. Macht euch bereit; wir
nähern uns der besagten Stelle.«
»Caine, bleib bei ihm und tu genau das, was er sagt«, sagte Lathe und schaute über die Schulter
auf Judas. »Wie sieht unsere Fluchtstrategie aus?«
»Auf jeder Seite des Viadukts führt eine Treppe zur Überführung hinauf«, sagte Shaw. »Sobald ich
dort angekommen bin, stelle ich mich mit dem Auto quer und versuche den Verkehr in beiden
Richtungen zu blockieren. Das müsste die Verfolger so lange aufhalten, dass wir wenigstens die
Treppen hochkommen.«
»In Ordnung«, sagte Lathe. »Caine, halte deine Kampfhaube griffbereit, aber setze sie erst auf,
wenn Tactor Shaw es dir sagt. Wir werden zuerst versuchen, in der Menge unterzutauchen.«
»Ich hab verstanden«, sagte Judas und versuchte sein Herzrasen unter Kontrolle zu bringen. Was
zum Teufel hatte Galway überhaupt vor?
»Sie biegen auf die linke Spur ab«, meldete der Techniker an der Statuskonsole des
Führungsfahrzeugs und presste den Kopfhörer fest ans Ohr. »Es sieht so aus, als ob sie bei Oak
oder Elsbeth wenden wollten.«
»Bleiben Sie an ihnen dran«, befahl Haberdae und warf mit einem grimmigen, verkniffenen Grinsen
einen Blick auf die Anzeige. »Ich schätze, sie sind doch nicht in den Queel District
unterwegs.«
Galway sagte nichts; er hatte den Blick auch auf die Anzeigen gerichtet und verspürte eine
Vorahnung kommenden Unheils. Die Späher kreisten über der Stadt, die Verfolger klebten Shaw an
den Fersen, und die Sondereinsatzkommandos aktualisierten ständig ihre Position, um bereit zu
sein, wenn Haberdae den Zugriff befahl. Es waren genug Leute im Einsatz, sie verfügten über
Boden- und Luftunterstützung, und das Terrain begünstigte definitiv die Jäger. Theoretisch hätte
das jedenfalls eine Operation wie aus dem Lehrbuch sein müssen.
Aber keine Operation verlief jemals so, wie es im Lehrbuch stand. Es gab jedes Mal neue Variablen
und Unbekannte - Unwägbarkeiten, die die Blackcollars sich virtuos zunutze machten.
Und selbst wenn es so funktionierte, wie Haberdae es sich vorstellte - selbst wenn alle
Variablen sich zu Gunsten der Jäger auflösten -, war es immer noch möglich, dass der Abend mit
einem kläglichen Scheitern der Operation endete.
Man durfte auf keinen Fall zulassen, dass Shaw die Planung der Khorstron-Aktion von Lathe an sich
riss. In dieser Hinsicht war niemand anderer Ansicht, und schon gar nicht Galway. Jedoch hatte
Lathe seine Optionen noch nicht ausgereizt; ganz zu schweigen von den möglichen Varianten, die
Galway vielleicht durch Judas noch ins Spiel zu bringen vermochte. Und selbst wenn alle anderen
Optionen doch ausgeschöpft waren - selbst wenn Shaw sich doch noch zum Regisseur bei dieser
Inszenierung aufschwang; der Versuch, eine solche chirurgische Aktion gegen den Tactor zu starten
und Lathe und die anderen unbehelligt entkommen zu lassen, würde eine Raffinesse erfordern, die
Galway Haberdae und seinen Männern kaum zutraute.
Aber es gab nichts, was er diesbezüglich zu unternehmen vermochte. Er hatte Argumente formuliert,
Warnungen ausgesprochen und Bitten vorgetragen; doch am Ende hatte Taakh sich entschieden,
Haberdae für seinen Coup grünes Licht zu geben.
Vielleicht hätte er sich auch gar nicht darüber zu wundern brauchen, sagte Galway sich mit einem
Anflug von Bitternis. Krieger der khassq -Klasse waren nämlich für den frontalen
Kampfeinsatz trainiert und nicht für die taktische Raffinesse, die hier gefragt war. Vielleicht
lechzte er - wie Haberdae -
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