Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
Der Papst blickte hinab, wobei selbst sein Herz Angst verspürte. Weit unten am Fuß des tückischsten Felshangs von allen stand Josua, dünne Seile in der Hand. Er musste den spirituellen Aufstieg wagen, den Stamm versammeln, den Judas repräsentierte. Der Papst sah hinüber zu Theodore. Er spürte, dass Satan zuerst Theodore angreifen würde. Dann ihn. Und schließlich würde die ganze Kompanie des Bösen Josua mit all ihrer Macht attackieren. Ohne Seile, an denen man sich festhalten konnte, würde Josua an der gefahrvollsten Stelle am Berg den Halt verlieren. Die letzte Judas-Münze haltend, würde er stürzen – und mit ihm die Kirche.
Johannes XXVI . öffnete die Augen und schaute auf den Altar vor sich. Satan war verschwunden. Der Papst hustete; noch nie hatte er sich so allein, so verlassen gefühlt. Und dennoch musste er mehr von seiner spirituellen Kraft Josua leihen. Zudem musste er den Menschen die zweite große Prophezeiung verkünden.
Der heilige Petrus leugnete, doch dann erklärte er seine Liebe.
51
Der Schnelle kann nicht entfliehen und
der Held nicht entrinnen.
Jeremia 46,6
E s regnete, als Martinelli mit zwei Krokodillederkoffern auf das Dach des Präsidentenpalasts stieg. Er sah zu, wie der Hubschrauber zur Landung ansetzte, und wartete, bis der Pilot herübergelaufen kam, um ihm die Koffer abzunehmen – denn ein kluger Mann, der eine Reise antritt, sollte immer dafür sorgen, dass andere seine Lasten tragen. Im Heli sitzend, die Schutzmaske vorm Gesicht, stellte der Präsident erfreut fest, dass es sich bei dem Piloten um den gleichen handelte, mit dem er schon vor ein paar Tagen geflogen war.
»Zur Isole Alicudi, Herr Ministerpräsident?«
»Nein. Ich habe meine Pläne geändert. Fliegen Sie nach Bari!«
»Aber Signore Ugolini hat gesagt, dass ich Sie zu der Insel fliegen soll.«
»Wen interessiert es, was er sagt?«, entgegnete Martinelli. »Ich bin der Präsident, und Sie arbeiten für mich. Haben Sie genug Treibstoff?«
Der Pilot zögerte; Martinelli fragte sich, ob er seinen Befehl wohl befolgen würde. Nachdem der Pilot auf dem Bordcomputer die Flugdistanz berechnet hatte, sagte er: »Wir können es schaffen.«
»Und auch noch zur Insel?«
»Ja, aber für den Rückflug nach Rom habe ich nicht genug Sprit.«
»Es wird welchen auf der Insel geben.« Am liebsten hätte sich Martinelli vor Freude die Hände gerieben. Er hatte eine Idee. Er würde den Piloten zu seinem Privatpiloten machen für den Fall, dass er schnell nach Rom zurückkehren musste.
Der Helikopter flog mit hoher Geschwindigkeit über die Hauptstadt, die bis auf seinen Palast und den Petersdom, die noch immer erhellt waren, im Dunkeln lag. Tief unter dem Ministerpräsidenten herrschten Chaos, Leid und Tod, aber er freute sich auf die Zukunft. Während des gesamten Fluges schwieg er und formulierte im Geiste all jene Regierungserlasse, die notwendig waren, um eine schöne neue Welt zu schaffen.
Eine Stunde später sagte der Pilot durch seine Schutzmaske: »Wir nähern uns jetzt Bari.«
»Meine Villa liegt südlich der Stadt.«
Der Pilot tippte den Namen der Villa ein – auf dem Bordcomputer erschien eine Karte mit Koordinaten. Unter den beiden war es stockfinster; Baris Stromversorgung war zusammengebrochen. Der Hubschrauber drehte ab und überflog einen Wald. Die Villa lag auf einem Hügel, versteckt zwischen Bäumen, mit Feldern ringsum. Der Präsident hatte diesen Ort nicht nur wegen des abgelegenen Standorts gewählt, sondern auch wegen seiner Schönheit. Das Haus hatte im 17. Jahrhundert einem reichen adligen Kardinal gehört, der hier seine finanziellen Mittel (und die der Kirche) höchst liebevoll und verschwenderisch aufwendete. Als sie den Hügel überflogen, gingen im Haus die Lichter an (es hatte seinen eigenen Generator), und die Scheinwerfer des Hubschrauberlandeplatzes wurden eingeschaltet.
»Schalten Sie das Suchlicht ein!«
Während der Heli noch schwebte, sahen sie eine Frau, die aus dem Hintereingang der Villa gelaufen kam und durch den Garten zum Hubschrauberlandeplatz eilte. Es schien niemand sonst dort zu sein.
»Wenn Sie gelandet sind, lassen Sie den Motor laufen und seien Sie vorbereitet, sofort wieder zu starten. Haben Sie eine Waffe?«
»Ja, Sir.«
»Geben Sie sie mir!«
Der Pilot zeigte auf ein Fach im Heli. Zufrieden zog Martinelli eine kompakte russische Maschinenpistole hervor. Genau das Richtige! Sie landeten, der Ministerpräsident kletterte aus dem Helikopter.
Weitere Kostenlose Bücher