Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
Zahl auf die Erde herab. Nach einer Weile verließ der Papst den Balkon und betrat wieder den Turm. Im Meridianzimmer schaltete er seine Taschenlampe an. Vor ihm befand sich ein Gemälde: Moses, der Gott anfleht, die Heuschreckenplage zu beenden.
Der Papst begann zu beten. Die Heuschrecken waren die Dämonen. Was konnte er gegen sie ausrichten? Oder war es zu spät?
15
… um in den Gartengründen zu weiden,
um Lilien zu pflücken.
Hohelied 6,2
H unger und Elend nahmen immer mehr zu in der Welt, doch zumindest ein Mensch war glücklich.
Josua arbeitete im Garten des Klosters des heiligen Antonius. Er hatte nach dem Frühstück mit der Arbeit begonnen, um sechs Uhr, als es noch relativ kühl war. Der Garten war nicht groß, aber es gab darin Gemüsebeete, geschützt unter grünen Netzen, die auf hohen Stöcken hingen.
Die meisten Mönche im Kloster waren alt, aber zwei jüngere pflegten den Garten wie auch die zahlreichen Palmen. Dabei wurden sie oft von anderen Pflichten fortgerufen, so dass Josua sie nur selten traf. In diesen Bereich des Klosters hatten Touristen keinen Zutritt. Dennoch kam von Zeit zu Zeit ein neugieriger Europäer oder eine stämmige ägyptische Matrone herein, die jedoch bald entdeckt wurden und von dem uralten Mönch, der sich um die Touristengruppen kümmerte, unter Zuhilfenahme seines Stocks wieder hinausgeleitet wurden. Zudem kamen mit den Touristenbussen auch Diebe aus Alexandria, die glaubten, das Kloster beherberge fabelhafte Schätze. Was stimmte, und zwar in Gestalt einer Bibliothek, die viele seltene Bücher enthielt. Die Bibliothek aber wurde gut bewacht – und der Rest des Klosters enthielt nichts von Wert. Trotzdem traf man oft auf Diebe in den gesperrten Bereichen, die verstohlen in Ecken und Winkel spähten und sich ganz allgemein dem Klischee entsprechend aufführten. Der steinalte Mönch trieb auch sie zurück zum Touristenpfad – wobei er seinen Stock kraftvoll zum Einsatz brachte, wenn er sich ihrer wahren Absichten sicher war.
Während Josua den Boden mit einer Hacke bearbeitete und zwischen den Reihen der Zwiebeln vorsichtig auftrat, versuchte er das neueste Rätsel zu lösen, das der Mönch Theodore ihm gestellt hatte. An jener Stelle, die Letzterer in der Bibel unterstrichen hatte, wurde von einem Besuch Christi und seiner Jünger in einem Dorf berichtet.
Sie zogen zusammen weiter, und er kam in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn freundlich auf. Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu. Marta war aber ganz davon in Anspruch genommen, für ihn zu sorgen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die ganze Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen! Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viel Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, es soll ihr nicht genommen werden.
Die Geschichte war recht einfach und wohl kaum von großer spiritueller Bedeutung. Christus und seine Jünger quartierten sich bei zwei Schwestern ein. Die eine war tätig und bereitete alles für die Gäste vor, die andere saß zu Füßen Christi und hörte ihm zu. Verständlicherweise beklagte sich die erste. Dennoch sagte der Erlöser der Menschheit, ihre Schwester habe sich für das Bessere entschieden. Das war harsch, ja, es war einfach unhöflich, dass ein Gast eine solche Bemerkung machte. Josua war sich sicher: Er an Martas Stelle hätte dem Sohn Gottes entgegnet: »Okay, du Klugscheißer, kein Mittagessen für dich!«
Josua hackte weiter. An der Geschichte musste mehr dran sein. Vielleicht auch nicht. Vielleicht war es ja so wie häufig in der Bibel. Fragmente menschlicher Ereignisse, die auf ein moralisches Problem hindeuteten, die aber oft zu schwierig waren, um sie entziffern zu können, so als sei etwas in der Übersetzung verlorengegangen. Mehr noch: Streng genommen war die Bibel voll von schwer verständlichen Stellen. Christus erschien nicht selten als mitleidloser Kerl, der andere gern herabsetzte. Keine Frage, im Himmelreich gab es keine Pharisäer und keine Sadduzäer, denn die konnte Christus nicht leiden. Doch wen mochte er? Wahrscheinlich niemanden – abgesehen von denen, die ihm zu Füßen saßen und ihn wissen ließen, dass seine Lehren sie beeindruckten. Zeit für das Orakel, dieses Rätsel zu lösen. Er blickte auf.
»Pater Jussef!«
»O Gott!«
Sein Mentor blieb abrupt
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