Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
angetreten werden kann.«
»Aber warum hat Maria die bessere Wahl getroffen?«
»Weil es das Gebet ist, das den Prozess in Gang setzt. Das Gebet lässt einen Menschen gute Taten vollbringen. Je mehr ein Mensch betet, desto mehr gute Taten vollbringt er. Marta und Maria sind Geschwister. Menschliche und spirituelle Taten hängen eng zusammen.«
Josua lächelte. Er hatte gewollt, dass Bruder Theodore ihm das Gleichnis erklärt, aber nun tat Jussef es an seiner Stelle.
»Maria bleibt immer daheim. Sie geht nicht aus dem Haus, der Geist bleibt im Körper. Also vollbringen Marta und Maria gute Taten, aber der Leib stirbt trotzdem. Gute Taten vollbringen und beten ist jedoch nicht nutzlos – das sagt das Gleichnis. Wer an Christus glaubt – repräsentiert durch Marta –, wird leben, auch wenn er stirbt; er wird wiederauferstehen. Und wer lebt und an Christus glaubt – repräsentiert durch Maria –, wird nicht einmal den Tod kosten.«
»Und?«
»Vielleicht hat das Gleichnis auch eine Frage gestellt – und beantwortet. Wie kommt es, dass ein Mensch, egal, wie viele gute Taten er vollbringt, egal, wie viele Gebete er im Leben spricht, trotzdem stirbt? Warum lässt Gott das zu? Das Gleichnis ist die Antwort auf Hiob.«
Warum war er eigentlich nicht selbst auf diesen Gedanken gekommen? Jussef ließ überrascht die Bibel fallen. Josua stellte inzwischen seine eigenen Überlegungen an. Christus liebte Marta, Maria und Lazarus. Also liebte Gott gute Taten, Gebete und den menschlichen Leib. Wenn ja, warum lässt er dann den Tod zu? Lazarus stirbt in der menschlichen Welt, doch als Folge der guten Taten und der Gebete wird er wieder zum Leben erweckt. Die Schwestern stellten die verborgenen Instrumente seiner Erlösung dar. Sie waren ein Teil von ihm. Die eine Schwester war im Haus versteckt, dem Leib, den inneren Gedanken. Die andere, das waren die äußeren Akte der Güte. Sie waren …
»Josua, geh und triff dich morgen mit den Mönch!«, sagte Jussef hastig. »Bitte ihn, dir die Bibelstelle zu erklären!« Er reichte Josua die Hacke; er hatte genug von der Gartenarbeit und wollte sich hinlegen und nachdenken. Sollte Josua doch die guten Taten vollbringen, er hatte da eine bessere Idee. »Bruder Theodore – wenn er etwas sagt, spricht er da mit einem Akzent?«
Josua nickte.
»Verstehe.« Jussef verließ den Garten. Hatte er gerade eben eine spirituelle Erleuchtung gehabt? Denn die innere Stimme, die er vernommen hatte, war die Theodores gewesen. Aber das konnte doch nicht sein, oder?
* * *
Abends. Josua war zu Bett gegangen. Er las noch einmal die Stelle, die der Mönch unterstrichen hatte, dann schlief er ein. In der Nacht, kurz vor ein Uhr, kam der junge Mönch zu ihm. Wieder führte er Josua zu der alten Kirche des heiligen Antonius, den Mittelgang hinunter und in den
khurus
. Theodore war da, saß zusammengesunken in einer Ecke. Josua reichte ihm die Bibel, aber Theodore bedeutete ihm, er solle sie behalten.
»Was bedeutet die Stelle?«
Der Mönch stellte ihm seine eigene Deutung vor. Zu den bedeutendsten Texten im Alten Testament gehört das Buch Hiob. Es schildert das Leben eines Mannes, der für seine guten Taten und sein frommes Wesen bekannt und den unablässigen Attacken des Teufels ausgesetzt war. Schließlich zerbrach er unter seinem Leid und zog Gott und dessen Güte offen in Zweifel. Warum?, fragte er. Das Buch Hiob stellt eine tiefgründige Frage. Wie kommt es, dass ein Mensch – ganz gleich, wie gut und heilig er ist – nicht verhindern kann, dass er stirbt, und wie kann er hoffen, jemals zu Gott zurückzukehren? Das war den Religionslehrern schon zu Lebzeiten Christi rätselhaft erschienen.
»Das Gleichnis, Josua, ist die Antwort Christi. Um zu Gott zurückzukehren, muss ein Mensch sich auf eine spirituelle Reise begeben. Wenn er bei Gott ankommt, wird er gottähnlich. Doch wie bricht er zu dieser spirituellen Reise auf? Er muss beten und gute Taten vollbringen. Er muss beides tun, weil gute Taten ohne Gebet oft leer sind. Eine Person gibt häufig vor, anderen Gutes zu tun, obwohl sie sich insgeheim selbst nützen will. Das gilt auch, wenn eine Person nur betet. Je mehr eine Person betet und Gutes tut, umso mehr nähert sie sich Gott. Christus wird dich jedoch nicht in deinem Haus besuchen, ohne dass er eingeladen wird. Alle Menschen sind frei zu wählen, ob sie Gott begegnen wollen. Sie müssen diesen Vorgang anstoßen. Sie müssen dem Gast die Tür öffnen.«
»Und mein
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