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Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Titel: Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott McBain
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glücklicher Mann sein sollen. Doch diesmal sah sich der italienische Ministerpräsident einem Problem gegenüber, das größer war als seine Habsucht. Er saß in seinem opulenten Büro im vierten Stock des Präsidentenpalasts in Rom. Drei Männer saßen mit ihm zusammen: der Verteidigungsminister, der Gesundheitsminister und der Chef des Geheimdienstes. Nur einem von diesen traute er.
    Roberto Martinelli selbst war sofort erkennbar – hauptsächlich, weil sein Gesicht dank seines Geschäftsimperiums in ganz Europa hohe Bekanntheit genoss. Er war durchschnittlich groß und neigte zu Dickleibigkeit, auch wenn seine tadellosen Maßanzüge halfen, das zu verbergen. Zudem sah er – im Stil eines italienischen Filmschauspielers – gut aus, trotz eines vergeudeten Lebens. Er hatte ein großflächiges, bewegliches Gesicht, eine markante Nase und ein energisches Kinn – seine Haut war noch immer glatt und rosa. Seine Haare waren, obwohl er sechsundsechzig Jahre alt war, voll und rabenschwarz. Natürlich wurde sein Aussehen dank chirurgischer und chemischer Eingriffe bewahrt und geschönt. Was Gott nicht vermochte, das brachten die Schönheitschirurgen Roms fertig. Wie auch immer: Es war die Norm. Jeder vernünftige Politiker in Italien gab sein unrechtmäßig erworbenes Geld für Frauen und das eigene Gesicht aus. Schließlich mussten sich die Züge eines Mannes, so wie seine politischen Grundüberzeugungen, mit der Zeit ändern, wobei das Problem war, dass die Zeit immer schneller voranzuschreiten schien. Martinellis Gesicht hatte jedoch eine zusätzliche Anziehungskraft. Es wirkte freundlich, und er besaß einen großen Mund (von Gott geschaffen, nicht einem Schönheitschirurgen) mit guten Zähnen (fünfzig Prozent davon echt). Außerdem war er umgänglich und lachte viel in der Öffentlichkeit, weshalb die Leute (insbesondere Frauen) nicht umhinkonnten, ihn zu mögen, auch wenn sie vielleicht mit seiner Politik nicht ganz einverstanden waren. In seiner eigenen Partei und auch in weiten Teilen des Landes nannte man ihn liebevoll den »Boss«, denn er war ein geborener Machtmensch. Sein Vater war ein berühmter Politiker gewesen, ein Schurke und Schürzenjäger, was ihm aber keineswegs geschadet hatte. Er hatte seinem Sohn beigebracht, wie es in der Welt zuging, so wie Martinelli das bald mit seinem einzigen Sohn Marco tun wollte – einem Vierundzwanzigjährigen, der, wenn er nicht gerade mit Frauen im Bett lag, sein Leben auf Partys verbrachte und sich betrank. Dennoch: Es war leicht, im modernen Italien von einem Leben des Reichtums und der Ausschweifungen in die Politik überzuwechseln.
    Die anderen drei Männer, die im Büro des Ministerpräsidenten saßen, waren von einem anderen Schlag. Die Minister für Verteidigung und Gesundheit konnten schnell entlassen werden – so schnell, wie Martinelli sie ernannt hatte. Sie waren ernsthafte Politiker, Männer in mittleren Jahren mit ergrautem Haar und im dunklen Anzug, die den Wechsel von der Wirtschaft in die Politik geschafft hatten und an die Politik ihrer Partei glaubten – anders als Martinelli, dem es nichts ausmachte, sein Mäntelchen nach dem Wind zu hängen. Außerdem stellten sie keine Bedrohung für den Chef dar. Warum auch? Sie verdankten ihm ihre politische Karriere, sie arbeiteten hart und, am wichtigsten, sie taten, was ihnen gesagt wurde. Die übrigen Mitglieder des italienischen Kabinetts verhielten sich recht ähnlich; der Ministerpräsident agierte wie ein Ringrichter, und die Minister gehorchten ihm. Wenn sie sich gut machten, bekamen sie bessere Kabinettsposten, wenn sie sich schlecht machten, flogen sie aus dem Kabinett hinaus. Es war ganz einfach, denn nachdem er fast sein ganzes Leben in der Politik und Wirtschaft verbracht hatte, wusste Martinelli, wie man das Land mit leichter Hand regierte: mit einem guten Sinn für Humor und indem man die Verantwortung auf andere schob, wenn etwas schiefging. Das Ganze war nicht schwierig, und inzwischen war er bereits seit zehn Jahren Ministerpräsident. In den Augen der Öffentlichkeit war er reich, Chef eines Telecom-Imperiums, hatte einen guten Sinn für Humor und einen unerschütterlichen Machtinstinkt.
    Das war das Bild in der Öffentlichkeit, doch unter der Oberfläche Martinellis – wie auch des Landes selbst – waren dunklere Kräfte am Werk. Die italienische Politik konnte ein schmutziges Geschäft sein, und deshalb benötigte er Leute im Regierungssystem, die damit fertig wurden, die

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