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Die Juden von Zirndorf

Die Juden von Zirndorf

Titel: Die Juden von Zirndorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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deshalb, um zu zeigen, daß er den Ring nicht habe. Er wähnte sich beargwohnt, und er bildete sich schließlich so fest ein, jeder vermute ihn als den Dieb, daß er fürchtete, man könne den Ring in seiner Tasche finden, wenn man nur hineingreife. Schließlich ergab es sich, daß die Katze den Ring fortgeschleppt hatte. Aber Sie sehen daraus, wie verwickelt alles ist. Unsere Seele, sie glaubt oft nicht, was die Hand tut.«
    Als Agathon sich von Gudstikker verabschiedet hatte und dem Haus zuschritt, sah er auf einmal Sema Hellmut neben sich gehen. Er sah des Knaben fragende Augen mit einem Blick voll Ergebenheit und Hingabe auf sich gerichtet.
    Agathon wunderte sich über das bedürftige Anschmiegen des Knaben. Aber er dachte daran nur halb. Der andere Teil seines Nachdenkens war der Ringgeschichte gewidmet, seinem Vater, seiner Mutter, dem Schicksal, das über ihm hing wie die Wolken und alles dunkel machte, gleichwie die sich mehrende Finsternis des Abends von den Wolken auszufließen schien.
    Daheim fand Agathon eine friedlichere Stimmung. Müßig wandelte er in den Garten. Ein kalter, feuchter Wind ging. Er hörte es rascheln wie vom Graben eines Spatens. Plötzlich sah er seinen Vater schaufeln. Elkan keuchte und grub ruhelos, bald hier, bald dort, – ein Schatzgräber. Es war unheimlich anzusehen. »Was tust du, Vater?« fragte Agathon.
    Elkan ließ den Spaten sinken, stützte sich darauf und Agathon sah trotz der Dunkelheit sein fahles Gesicht leuchten. »Agathon, Gott hat seine Hand abgezogen von uns und sein Antlitz verhüllt. Aber wir dürfen nicht murren. Gepriesen seist du, Ewiger, der du des Vergessenen gedenkst.« Elkan betete ein Lobgebet.
    »Vater,« sagte Agathon, »ich darf nicht mehr in die Schule. Ich bin davongejagt worden, obwohl ich nichts Schlechtes getan habe.«
    Elkan Geyer warf den Spaten weg und lehnte sich an den Zaun. Nach einem langen Schweigen tappte er ins Haus. Agathon blieb, nahm die Mütze ab und gab das Haar den Winden preis. Die Nacht öffnete ihm ihre dunklen Wunder, unvorhanden für andachtlose Augen. Er glaubte in einem Tempel zu sein, doch erkannte er den Gott nicht.
    Gegen acht Uhr kam Doktor Schreigemut und sein Gesicht war sorgenvoller als sonst. Agathon sah die Augen Semas beständig auf sich gerichtet; sie folgten jeder seiner Bewegungen.
    »Gepriesen seist du Ewiger, der du des Vergessenen gedenkst,« murmelte Elkan.
    »Die Welt ist gar groß und hat viele Sterne und viele Erden, Elkan,« sagte Gedalja. »Worum soll er nit vergessen an den Gedalja, nit vergessen an den Elkan? Elkan is brav, aber worum soll er nit vergessen an die Braven, wenn er hat so viel zu bessern an die Sünder? Wenn de tot bist, waaßt de nix dervon und in deiner Sterbestund kannst de dir ausdenken, du hättst gelebt e großes Leben, e reiches Leben un nit e Elkanleben. Gehängt is gehängt, mit'n Strick oder mit'n Goldfaden hat mei seliger Onkel g'sagt. E weiser Mann.«
    Agathon schlief nicht in der Nacht. Seine Seele war heiter, und erregt sah er in die Finsternis. Er hatte ein Gefühl, wie oft, wenn er ein Geschenk erwarten durfte und ungeduldig war, es zu sehen. Die Nacht war unbewegt, nur selten gestört durch das Heulen eines Hundes. Als es drei Uhr schlug, kam der Mond und warf ruhige Lichtflecke in den Raum. Mit diesen Strahlen wurden die Figuren in Agathons Sinnen lebendiger und verklärter. Sie brachten ihm Reichtümer, von denen er nicht begriff, daß er sie je hatte entbehren können, er fühlte sich wachsen und es war, als hörte er einen Ruf über die Felder hinschallen, der ihm galt: lang und eindringlich.
    Am folgenden Vormittag brachte der Pedell Dunkelschott ein Schreiben des Rektorats und des Kantors der Schule für Elkan Geyer. Er verlangte den Weglohn und trollte ins nächste Wirtshaus. Elkan setzte sich an den Tisch und las. Kaum war er damit zu Ende, als er aufschrie wie ein Gefolterter. Gedalja ging zu ihm, aber Elkan ließ sich nicht halten, sein Gesicht wurde blaurot, er fiel über Agathon her, preßte die Hände um seinen Hals und hätte ihn erdrosselt, wenn nicht ein furchtbarer Angstruf aus dem Krankenzimmer ihn zur Besinnung gebracht hätte. »Aus meinem Haus, du Christ!« röchelte er und stieg schwankend die Stufen zum Schlafgemach hinauf.
    Gedalja strich langsam und nachdenklich über Agathons Haar. »Was haste getan?« murmelte er. »Der sanfte Mann, der sanfte Elkan is geworden e wildes Tier. Die Welt is nimmer ganz. Es is was los in der Welt un mer stehn da

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