Die Juliette Society: Roman (German Edition)
wolle Gott an ihm ein Exempel statuieren, von einem wandelnden, sprechenden Trottel voller Tattoos, die sich eigentlich nicht Tattoos schimpfen dürften.
Dennoch ist die Tinte, die einen glauben lässt, dass Paris Hilton vielleicht doch nicht der dämlichste DNS-Strang ist, der auf diesem Planeten herumläuft, Bundys ganzer Stolz. Womöglich aber auch die Sorte von Geniestreich, auf die sich Albert Einstein immer Hoffnungen gemacht hat.
Denn dieses Tattoo ist der wahre Grund für Bundys Erfolg – wenn man denn so will – bei den Frauen.
Aber nicht bei mir.
Bundy ist bereits zu dem Schluss gekommen, dass ich ein hoffnungsloser Fall bin, und sieht sich nach Frischfleisch um. Er stürzt sich auf ein Opfer, in dem er Potenzial erkennt. Ein hübsches, dümmliches Hipster-Mädchen mit eckiger Brille, schwarzem Lippenstift und einem Mayhem-T-Shirt. Sie versucht, einen auf Black Metal zu machen, scheitert jedoch kläglich.
Anna meint: »Schau einfach zu.«
Und dann sehe ich Bundy in Action. Ich werde Zeuge des kompletten Programms. Es ist wirklich simpel. Da merke ich, dass Anna recht hat. Es ist so einfach, dass es fast schon genial ist.
Bundy redet mit dem Mädchen, und bald weiß er, dass er sie am Wickel hat, aber sie macht noch ein bisschen auf schwer zu knacken. Also zieht er seinen Trumpf.
Bundy sagt: »Ich versprech dir, wenn du meinen Schwanz siehst, dann willst du ihn unbedingt in den Mund nehmen. Das garantier ich dir. Ich garantier’s dir doppelt.«
Er sagt das mit der süßesten Schmusekatzenstimme, zu der er fähig ist. Und nur um ganz sicher zu gehen, setzt er auch noch den Hundeblick auf. Denn er weiß, wenn er so weit gekommen ist, wenn sie noch immer vor ihm steht und sich anhört, was er zu sagen hat, wenn sie bis jetzt darauf reingefallen ist, dann geht sie vermutlich auch aufs Ganze, ohne sich noch viel länger bitten zu lassen.
Also holt Bundy seinen Schwanz raus. Lässt ihn aus seiner Hose baumeln, damit ihn das hübsche, dämliche Möchtegern-Metal-Hipstermädchen in Ruhe betrachten und sich einen Reim darauf machen kann.
Bundys Schwanz.
Oben ist EAT eintätowiert.
Und auf der Unterseite ME.
Wie bei dem Pilz aus Alice im Wunderland, bloß dass es hier keinen Unterschied macht, in welche Seite man beißt.
Und ich weiß nicht, wer mir mehr leidtut.
Der Tätowierer, der das machen musste.
Das Mädchen, das ihn gleich im Mund haben wird.
Bundy.
Oder seine Eltern.
Seine armen Eltern.
Bundys Eltern waren Yuppies.
Hassen Sie ihn jetzt noch mehr?
Warten Sie. Lassen Sie mich zu Ende erzählen.
Bundys Eltern waren Yuppies, die ihr Geld im Bankenboom gemacht haben, zu einer Zeit, als Yuppies, Aids, Madonna und Crack die großen Themen waren. Doch kurz nachdem Bundy geboren worden war, verloren sie alles. Durch Einkaufsorgien im Crackrausch, bei denen sie massenweise Krempel anhäuften, den sie niemals brauchen konnten und den sie sicher nicht wollten. Krempel, den sie später zu Niedrigpreisen verschleuderten, um weiterhin Crack kaufen zu können, das im Zuge der Inflation plötzlich mehr kostete als ein großer ungeschliffener Diamant aus Sierra Leone. Ja, Bundy hatte es in seiner Kindheit nicht so leicht. Das hat er mir in einem letzten verzweifelten Anbaggerversuch, bei dem er die Mitleidsmasche schob, erzählt.
All das geschah irgendwann in den Achtzigern, aber wenn man Bundy fragen würde, bliebe er, was die genauen Zeitangaben betrifft, eher vage. Auf so unwichtige, kleine Details wie sein Geburtsdatum legt er weniger Wert. Das Äußerste, was ich aus ihm herausbekommen kann, ist:
»Es war nach der 8-Spur-Kassette und vor der CD«, meint er. »Als The Police noch cool waren und bevor sie scheiße wurden. Als es noch die großen Alben gab, vermutlich nach Thriller und vor Purple Rain . Oder war es andersrum?«
Bundy meint, dass er sich nicht so genau erinnern kann, weil er ja noch ein Baby war. Er lag die ganze Zeit in seinem federnden, aufblasbaren Kinderbett vor MTV, während seine Eltern damit beschäftigt waren, von einem schmutzigen Glastisch Kokain-Lines vom Ausmaß kubanischer Zigarren durch silberne Röhrchen mit eingraviertem Monogramm zu ziehen.
Aber damals war MTV nur ein Nebel aus üppigen Frisuren und Eyeliner, aus Linn-Drumcomputern und Roland-Synthesizern, und es war schwer, Duran Duran von Kajagoogoo oder Mötley Crüe zu unterscheiden.
Bundy meint: »Es war nach Martha Quinn und Downtown Julie Brown. Nein, warte … zwischen Adam Curry und Kurt Loder.«
Er
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