Die Juliette Society: Roman (German Edition)
Eingang zur Nische. Die hinten recken die Hälse, drängeln und schieben, um besser sehen zu können.
Die drei Kerle vorne stemmen sich gegen sie, um ihre Plätze zu verteidigen. Sie haben alle nackte Oberkörper. Ihre Eier quellen obszön aus den geöffneten Hosenschlitzen unter den dichten, schwarzen, buschigen Locken ihres Schamhaars heraus. Mit ihren großen, derben, schwitzigen Händen massieren sie herausfordernd ihre harten, anstößigen Schwänze. Ich bin vollkommen verstört und total erschrocken, und ich weiß nicht, ob sie sich auf mich oder auf ihn einen runterholen.
»Ich kann das nicht«, sage ich und schiebe ihn kraftlos beiseite. »Wirklich, ich muss gehen.« Ich höre, dass meine Stimme vor widerstreitenden Gefühlen ganz rau ist. »Ich muss meine Freundin suchen.«
Die Szene bricht ab, als hätte ein Regisseur »Schnitt!« gerufen. Ich habe die Stimmung ordentlich versaut und alle zerstreuen sich auf der Suche nach einer anderen Szenerie, einer, die befriedigender endet. Ich ziehe mich hastig an und drängle mich wortlos zwischen ihnen hindurch.
Ich eile einen Gang entlang, zittrig und erschöpft, und versuche zu begreifen, was zum Teufel da gerade passiert ist. Ein Teil von mir wollte aufs Ganze gehen, aber das konnte ich einfach nicht zulassen. Ich habe Schiss bekommen, wie wenn man in einem Vergnügungspark in eine Monster-Achterbahn steigt und einem plötzlich klar wird, wo man ist, man sich verkrampft und der Kitzel sich in Panik verwandelt.
Und jetzt suche ich jemanden – wie der Held in einer dieser beliebigen Clubszenen aus einem dieser beliebigen Filme. Ich suche Anna.
Ich denke, ich bin auf dem Weg zurück in den Hauptraum, zur Bar, dabei gehe ich in die komplett entgegengesetzte Richtung. Und ich muss feststellen, dass dieser Laden hier wirklich ein Labyrinth ist. Alle Gänge sehen gleich aus. Nachdem ich zwei-, dreimal abgebogen bin, habe ich mich total verirrt. Ich gehe in dieselbe Richtung weiter und hoffe, irgendetwas wiederzuerkennen, merke aber bald, dass das nicht der Fall ist. Und dann, als ich schon denke, dass ich hier nie wieder rausfinden werde, biege ich um eine weitere Ecke und erblicke Anna. Ich hätte sie auch nur schwer übersehen können.
Ich habe einen höhlenartigen Raum betreten, in dem es vor Leuten nur so wimmelt, die sich im Gleichtakt bewegen, denken, ihren Instinkten folgen, während sie herumwandern und schauen und vögeln.
An die hintere Wand wird, auf einer Fläche von vielleicht neun mal zwölf Metern, ein Film von Anna projiziert. Einer ihrer Clips von der SODOM -Website. Zumindest nehme ich an, dass er von der Site stammt, obwohl ich ihn noch nie gesehen habe. Sie ist barbusig. Ein schwarzes T-Shirt ist um ihren Kopf gebunden wie eine Augenbinde. Aber es ist dennoch unverkennbar Anna. Ich erkenne ihre schulterlangen, blonden Haare, ich erkenne ihren Körper – sinnlich, kurvig, blass und leicht lädiert.
Sie sitzt auf einer Bank, die aus nicht viel mehr besteht als mehreren rissigen, unlackierten Holzbrettern, die ohne auf Bequemlichkeit oder Stabilität zu achten zusammengenagelt wurden. Ihre Arme sind entlang der Lehne in Kreuzigungshaltung ausgebreitet und werden von den Schlaufen eines groben Seils fixiert, das außerdem noch fest um ihren Körper gebunden wurde; einmal über ihrem Busen und einmal um die Taille.
Ich weiß nicht, was in diesem Video vorher passiert ist, aber Annas Oberkörper ist so rot angelaufen, als wäre sie ausgepeitscht worden. Ihr Kopf hängt nach vorne herunter, und aus ihrem schlaff geöffneten Kiefer tropft der Sabber. Ein langer, dicker Speichelfaden läuft aus ihrem Mundwinkel und baumelt zwischen ihren Brüsten, auf denen sich die Spuren der Peitschenhiebe rot und rabiat und äußerst schmerzhaft abzeichnen. Ihr Brustkorb hebt und senkt sich, als hätte sie gerade einen Marathonlauf absolviert.
Ich betrachte Anna auf der Leinwand und sehe Séverine, mit verbundenen Augen an den Baum gebunden, und ich merke, dass sie vom selben Schlag sind – zwei unglückselige Blondinen, gefesselt an ihre Begierden.
Ich wende mich ab und sehe wieder Anna – die echte Anna, die nackt vor ihrem überdimensionalen Videobild hockt. Sie ist ein Bühnen- und Leinwandstar. Der Grund, warum ich sie vorher nicht bemerkt hatte, ist der, dass sie von einem Schwarm Männern umgeben ist, die sie bedrängen wie Autogrammjäger eine Jungschauspielerin auf ihrer ersten großen Filmpremiere. Doch anstatt ihr Papier und Stift hinzuhalten,
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