Die Juliette Society: Roman (German Edition)
was bei der Regierung wirklich hinter verschlossenen Türen vor sich geht.
Ich befinde mich im Inneren der Fuck Factoryund fühle mich wie Al Pacino in Cruising . Ich bin Al Pacino, der sich als Schwuler ausgibt und lauter falsche Signale aussendet.
Gelbes Tuch in der linken Gesäßtasche. Man pisst gerne jemanden an.
Gelbes Tuch in der rechten Gesäßtasche. Man wird gerne angepisst.
Offenbar sende ich die falschen Signale aus, ohne dass mir bewusst ist, dass ich überhaupt welche aussende, denn ich bemerke einen Typen, der mich vom anderen Ende der Bar aus anstarrt. Jung, blond, nackter Oberkörper, muskulös und unverschämt gut aussehend, mit einem Pagenschnitt, der an jedem anderen lächerlich aussehen würde, aber an ihm, bei so einem Körper, einfach perfekt erscheint – so wie männliche Models manchmal den unmöglichsten Look haben können und dabei so von sich überzeugt sind, dass sie einem trotzdem Aufmerksamkeit abnötigen. Er lehnt mit dem Rücken an der Bar, die Ellbogen auf der Theke, die Beine in einem Fünfundvierzig-Grad-Winkel gespreizt, um die riesige Beule in seiner Lederhose besser zur Geltung kommen zu lassen.
Er ist überhaupt nicht mein Typ. Ich stehe nicht auf blond. Aber er legt ein so uneingeschränktes Selbstbewusstsein an den Tag, dass ich den Blick nicht von ihm abwenden kann. Und ich merke, dass das genau das ist, was er will.
Er betrachtet mich kühl, wie ein Löwe, der seine Beute beobachtet und nur darauf wartet, zuzuschlagen. Er jagt mich, ohne sich auch nur einen Zentimeter zu rühren. Er will mich wissen lassen, dass er da ist, dass er Interesse an mir hat, mich mit seinem Blick kontrollieren kann.
Und ich will, dass er weiß, dass ich nicht leicht zu kriegen bin, dass ich nicht alleine bin und Rückendeckung habe, also drehe ich mich um und will Anna etwas sagen. Aber sie ist nicht mehr da. Ich sehe mich hektisch um, aber ich kann sie nirgends entdecken. Ich schaue wieder zu ihm. Er starrt mich noch immer an, und jetzt weiß er, dass ich schutzlos bin und mich nirgendwo verstecken kann. Bevor er sich in Bewegung setzen kann, fliehe ich auf die Toilette, in der Hoffnung, dass ich dort auch Anna wiederfinden würde.
Nun, normalerweise wäre das ein schlauer Schachzug, denn so eine Damentoilette ist wie ein Kloster, ein Zufluchtsort, der dem zarten Geschlecht Schutz bietet, wo gebeichtet wird, wo Geheimnisse gelüftet werden und wo Männer definitiv keinen Zutritt haben.
Es gibt bloß ein Problem. Diese Toilette ist eine Unisextoilette. Und sie ist überhaupt weniger ein Klo als ein Vorwand für Wassersport und anonymen Geschlechtsverkehr. In der Mitte befindet sich eine Mulde, in die man entweder pinkeln oder in der man baden kann oder beides – und genau das passiert dort auch. Zu beiden Seiten des Raums reihen sich zwanzig, dreißig Klokabinen an den Wänden. Alle haben Löcher in den Türen – genau wie Marcus’ Schrank – aus denen entweder Körperteile herausragen oder dagegen gedrückt werden. Ich brauche nur den Bruchteil einer Sekunde, bis ich mich umgesehen, all das aufgenommen und festgestellt habe, dass das nicht gerade die Art von Zufluchtsstätte ist, die ich gesucht habe.
Ich gehe wieder aus der Toilette hinaus auf den schummrig beleuchteten Gang, der in den Hauptraum des Clubs zurückführt, und da ist er, er wartet auf mich, in einer Nische, die im Halbdunkel liegt.
Zuerst sehe ich ihn gar nicht, aber als ich vorbeigehe, schießt seine Hand hervor und packt mich am Unterarm.
Er zieht mich an sich. Ich wehre mich nicht. Ich lasse es zu.
Und er wirbelt mich herum, sodass ich mit dem Rücken an der Wand stehe.
Seine Hände sind an meiner Taille, halten mich fest, und sein Unterkörper presst sich an meinen.
Er küsst mich auf den Mund, während seine Hände über meinen Körper gleiten, meinen Rücken hinauf bis zu meinen Schultern.
Er beugt sich vor und findet mit seinen Lippen und der Nase die magische Stelle an meinem Hals, ungefähr in der Mitte zwischen Schlüsselbein und Ohr, die mich öffnet wie einen Himitsu Bako. Es fühlt sich so wahnsinnig gut an, dass ich mich, kurz bevor das Dopamin mein Gehirn erreicht hat, noch frage, wie er das wohl gemacht hat.
Er vergräbt seine Nase hinter meinem Ohr und atmet den Geruch ein. Seine Lippen, weich und feucht, legen sich an meinen Hals, die Zunge beschreibt suchende Kreise und fährt dann langsam den Bogen zu meinem Ohr ab, windet sich innen am Rand wieder hinunter und hinterlässt dabei einen
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