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Die Juliette Society: Roman (German Edition)

Die Juliette Society: Roman (German Edition)

Titel: Die Juliette Society: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sasha Grey
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Rollläden.
    »Geschlossen!«
    Er klingt jetzt schon ziemlich genervt.
    Ich klopfe wieder und tue so, als hätte ich ihn gar nicht gehört.
    Da öffnet sich eine Tür im Rollladen und Sals ergraute Visage späht heraus.
    »Scheiße, was willst du hier, Kleine! Bist du taub oder was! Siehst du nicht, dass wir geschlossen haben!«
    Es sind weniger Fragen als eine Reihe von Vorwürfen und Drohungen.
    »Bundy«, sage ich. »Wo ist Bundy?«
    »Warum willste das wissen?«, fragt er argwöhnisch.
    »Ich suche eine Freundin von uns«, erkläre ich. »Und von Bundy. Anna.«
    »Ach die …«, meint er. »Blondie.«
    Als er das sagt, bekommt seine Stimme eine weichere Note, sein ganzes Verhalten wird sanfter. Und ich denke bloß: »Oh nein, Anna, du hast doch nicht …«
    Sals Gesicht verschwindet wieder im düsteren Innern der Bar, und einen Moment lang sieht es so aus, als hätte er sich in Luft aufgelöst wie die Grinsekatze. Doch dann schiebt sich seine Hand heraus.
    Ich hole einen Zehndollarschein aus meiner Tasche und drücke ihn ihr in die Hand. Sie schnellt zurück wie bei einer dieser mechanischen Spardosen, und ich warte darauf, dass Sal wieder auftaucht. Doch ich sehe bloß seine Hand, die sich erneut rausschiebt.
    Raffzahn. Sal gehört zu der Sorte von Barkeepern, die einem in den Drink spucken, wenn man ihnen zu wenig Trinkgeld gibt. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass ich seine Bar noch einmal betreten werde, aber bloß für den Fall hole ich noch einen Zehndollarschein heraus und drücke ihn ihm in die Hand. Sie zieht sich wieder in das Loch zurück.
    Ich rechne schon damit, dass er sie noch mal rausstreckt, doch dann nennt mir Sals Stimme aus der Dunkelheit Bundys Adresse. Ich wiederhole sie einmal im Kopf, um sie in meinem Gedächtnis zu verankern.
    Er sagt noch: »Richte Blondie liebe Grüße von mir aus.« Die Tür wird zugeknallt. Ich erschaudere.
    Langsam habe ich wirklich Angst um Anna. Wo ist sie bloß? Gestern war sie noch da, und heute fehlt jede Spur von ihr. Jetzt muss ich meinen Stolz überwinden und zu Bundy gehen.
    Bundy ist nicht überrascht, mich zu sehen. Er ist bloß enttäuscht, dass ich nicht schon früher aufgetaucht bin, damit er jemandem seine Version der Geschichte erzählen kann.
    »Ich hatte nichts damit zu tun. Ich schwöre, ich hab diese Mädchen nicht umgebracht.«
    Das ist das Erste, was er sagt, als er mich in seine Wohnung bugsieren will, und er sagt es mit leicht krächzender Stimme. Für Bundy ist eine Welt zusammengebrochen. Er ist ein Wrack. Das Justizministerium hat all seine Domainnamen kassiert, seine Sites sperren lassen – jede einzelne – und ein Strafverfahren wegen Zuhälterei und Bandenkriminalität gegen ihn eingeleitet. Man hat ihm seine Lebensgrundlage entzogen. Sein Ruf ist ruiniert.
    Doch mich interessiert nicht, wie es ihm geht, ich will bloß wissen, was mit Anna passiert ist.
    »Bundy«, sage ich, »wo ist Anna?«
    Er antwortet nicht, also bleibt mir nichts anderes übrig als reinzugehen.
    Bundys Wohnung muss man gesehen haben, sonst glaubt man’s nicht. Er scheffelt Geld ohne Ende, aber er ist so knausrig, dass er sich weiterhin bloß das winzige Einzimmerappartement leistet, in dem er schon immer gewohnt hat. Es ist so vollgestopft mit Zeug, dass man sich darin kaum umdrehen kann, man kommt fast nicht durch die Tür.
    Er schiebt mich hinein und sagt: »Setz dich.«
    Ich schaue mich um, und es ist nicht so, als gäbe es keine Möbel, auf die man sich setzen könnte – wie es laut Annas Beschreibung in Marcus’ Wohnung der Fall ist –, es ist bloß so, dass alles vollgestapelt ist. DVDs, Zeitschriften, Comics, Spielzeug, dreckige Unterwäsche. Und dann ist da noch eine Sache: Bundys Wohnung stinkt total. Überall stehen Behälter mit halb verputztem Mikrowellenfraß herum, offene Pizzakartons, in denen sich noch die abgenagten Ränder befinden – vollendete Teigkreise, als wäre es ihm irgendwie gelungen, die Mitte von innen herauszuessen.
    Da ich nicht vorhabe, lange hier zu bleiben – eigentlich will ich ja überhaupt nicht hier sein –, sage ich: »Kein Problem, ich bleib einfach stehen.«
    Ich lehne mich an die Wand und spüre, wie sie hinter mir nachgibt. Erst dann merke ich, dass es sich gar nicht um eine Wand handelt, sondern um einen deckenhohen Stapel dieser weißen Pappschachteln mit Drahtgriff, in denen asiatisches Essen geliefert wird.
    Es ist kaum eine Woche her, seit Forrester Sachs die Story publik machte, also versteckt sich Bundy

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