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Die Juliette Society: Roman (German Edition)

Die Juliette Society: Roman (German Edition)

Titel: Die Juliette Society: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sasha Grey
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sagen, ob er wütend oder amüsiert ist. Er sieht mich an und sagt: »Ich habe wirklich keine Ahnung, wovon Sie reden.« Dann verlässt er mit seinen Notizen unterm Arm und ohne ein weiteres Wort den Saal.
    All meine Illusionen über Marcus lösen sich schlagartig in Luft auf. Vielleicht war er nie der, für den ich ihn gehalten habe. Vielleicht hat sich Anna alles, was sie mir über Marcus erzählt hat, bloß ausgedacht, um meine Fantasien anzuheizen. Aber warum sollte sie das tun? Ich bin total verwirrt.
    Die ganze Zeit über habe ich gedacht, Marcus sei meine Achillesferse. Aber ich habe mich getäuscht. Vollkommen getäuscht.
    Es ist gar nicht Marcus, sondern Anna.
    Anna ist meine Achillesferse, die blonde Femme fatale, der ich bis ans Ende der Welt folgen würde.
    *
    Anna ist verschwunden. Und plötzlich wird mir klar, dass ich sie gar nicht richtig kenne. Ich weiß so wenig darüber, wer sie ist oder woher sie kommt. Ich weiß bloß, was sie mir erzählt hat und was sie mir bedeutet.
    Wie viele Menschen gibt es letzten Endes, die uns wirklich kennen? Die um unsere täglichen Routinen wissen: wohin wir gehen, wen wir treffen, was wir machen. Wenn etwas passieren würde, wenn wir plötzlich spurlos verschwinden, wer würde wissen, wo er nach uns suchen soll, bei wem er sich nach uns erkundigen und wen er anrufen soll? Freunde – selbst die, die man für enge Freunde hält, die, von denen wir glauben, dass uns etwas Tiefes, Beständiges mit ihnen verbindet – wären wahrscheinlich ratlos. Und unsere Familien vermutlich erst recht.
    Umso mehr ich darüber nachdenke, umso mehr Panik bekomme ich, weil ich ihr schon gesimst und sie angerufen habe und sie weder abgenommen noch zurückgeschrieben hat – noch so eine Sache, die ihr überhaupt nicht ähnlich sieht. Es scheint, als wäre Anna spurlos verschwunden. Fast so, als hätte sie nie existiert. Ich kenne bloß drei Menschen, die bezeugen könnten, dass es sie gibt.
    Marcus.
    Bundy.
    Kubrick.
    Aus mir unerfindlichen Gründen hat Marcus jeden persönlichen Kontakt mit Anna abgestritten und sogar verleugnet, sie überhaupt zu kennen.
    Bundy ist untergetaucht.
    Also bleibt mir bloß noch Kubrick.
    Ich nenne dem Taxifahrer die Adresse der Fuck Factory , zumindest soweit ich mich daran erinnere, und beschreibe ihm den kürzesten Weg dorthin. Er sieht mich an, als wolle er sagen: »Bist du sicher, dass du dahin willst? Da ist doch nichts.« Doch als ich in den Wagen steige, schaltet er trotzdem das Taxameter an, denn eine Fuhre ist eine Fuhre, und wenn er mich nicht fährt, dann eben ein anderer.
    Wir fahren herum und alles sieht so anders aus als in meiner Erinnerung. Nichts ist so, wie es war. Und das liegt nicht bloß daran, dass es Tag ist und bei Tageslicht sowieso alles anders aussieht. Es wirkt noch nicht mal wie derselbe Ort. Was in meiner Erinnerung verfallene Gebäude waren, sind eigentlich leere Bauruinen, die kurz vor ihrer Fertigstellung aufgegeben wurden. Ich lasse den Fahrer drei oder vier Mal an Stellen halten, die mir vage bekannt vorkommen, damit ich aussteigen und nach dem Graffito Ausschau halten kann, das den Ort markiert, wo sich die Fuck Factory befindet. Aber ich kann es nirgends finden.
    Womöglich wurde es überpinselt oder weggewischt – aber auch dafür finde ich keinerlei Anzeichen. Die Treppen, die in die Keller der Gebäude führen, sehen alle gleich aus, und ich kann ja nicht auf gut Glück alle durchprobieren. Also komme ich schließlich zu dem Schluss, dass die Fuck Factoryseit meinem Besuch dort wieder einmal aufgeflogen sein muss. Auch wenn der noch gar nicht so lange zurückliegt.
    Die Fuck Factory ist spurlos verschwunden, genauso wie Anna.
    Jetzt bleibt mir bloß noch eine Möglichkeit.
    Ich muss Bundy finden.
    Der einzige Mensch, der wissen könnte, wo Bundy sich aufhält, ist Sal, der Barkeeper aus dem Bread & Butter .
    Als das Taxi dort vorfährt, sind die Rollläden heruntergelassen. Ich hämmere mit der flachen Hand dagegen, so fest ich kann. Eine mürrische Wichtigtuerstimme, Sals Stimme, ruft: »Wir haben geschlossen!«
    Auch wenn ich kaum etwas mit Sal zu tun hatte, als ich das letzte Mal hier war, ist mir klar, dass es wenig Sinn ergibt, mit ihm durch die geschlossenen Rollläden zu diskutieren. Er würde mich nur aus seiner sicheren Position hinter den verschlossenen Türen der Bar heraus beschimpfen und nicht im Traum daran denken, mir in irgendeiner Form zu helfen. Fehlanzeige.
    Also haue ich weiter gegen die

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