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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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Entspricht meine Annahme den Tatsachen, daß dieser Bohnenkaffee aus der Kolonialwarenhandlung Ihres Herrn Vater stammt?«
    Béla erhob sich, nestelte zerstreut an seinen Manschetten. »Die Annahme entspricht nicht den Tatsachen. Im Geschäft habe ich nur das Geld gestohlen. Der Kaffee ist für das gestohlene Geld anderswo besorgt worden.«
    Sie gingen Punkt für Punkt vor. Das Verhör durch Ernő war gründlich und auch formal einwandfrei. Geleugnet hat keiner. Mit großer Bereitwilligkeit gestanden sie die Herkunft der Gegenstände. Lajos tauschte empörte Blicke mit Ernő. Dieser arbeitete sich systematisch mit gezielten Zwischenfragen vor und verteilte die Schärfe des Verhörs gleichmäßig auf Ábel und Béla.
    »Sie, Prockauer, schweigen. Mit Ihnen werde ich noch ein ganz anderes Gespräch zu führen haben. Was soll dieser clowneske Aufzug bedeuten? So bereiten Sie sich auf Ihre Prüfungen vor? Während Ihre Väter draußen im Feld bluten, rüsten Sie sich auf diese Weise fürs Leben?«
    »Pardon«, erwiderte Ábel entschieden, »wir rüsten uns nicht fürs Leben.«
    Ernő stellte die beiden Kerzen auf den Tisch, setzte sich und wies dem Einarmigen höflich einen Platz an. »Was für ein Geschwätz!« sagte er. »Wofür, bitte, rüsten Sie sich, wenn nicht fürs Leben?«
    »Wir rüsten uns für gar nichts, mein Herr, bereiten uns auf gar nichts vor«, erklärte Ábel ruhig. »Genau darum geht es nämlich. Wir legen Wert darauf, daß wir uns für überhaupt nichts rüsten. Wofür das Leben sich rüstet, das bleibt seine Sache. Unsere Sache ist etwas ganz anderes.«
    »Etwas völlig anderes«, pflichtete Béla bei.
    »Schweigen Sie, Ruzsák. Sie haben den Mund zu halten, Sie, der mit gestohlenem Geld Bohnenkaffee kauft. Was ist denn überhaupt Ihre Sache?«
    »Unsere Sache ist«, antwortete Ábel in schülerhaftem Ton, »den Zusammenhalt zu pflegen. Wir sind die Clique, bitte. Und was die Herren machen, geht uns nicht das geringste an. Wir tragen dafür keine Verantwortung.«
    »Da ist etwas dran«, warf der Einarmige ein.
    »Du bist aber schon dafür verantwortlich«, gab Ábel zurück. »Du hast eingewilligt, hinauszugehen und dir den Arm abschneiden zu lassen. Deinetwegen sind Menschen gestorben. Auch durch Ernő s Vater sind Menschen gestorben. Meiner bescheidenen Meinung nach tragen alle, die eingewilligt haben, Verantwortung.«
    »Sie alle werden in Kürze eingezogen«, erklärte Ernő kühl. »Werden Sie auch dann das Maul so weit aufreißen?«
    »Dann werden wir es natürlich nicht aufreißen, und alle werden wir verantwortlich sein. Doch bis dahin bin ich nicht verpflichtet, die Vorschriften ihrer Welt zur Kenntnis zu nehmen. Ich nehme auch den Gesangsunterricht nicht zur Kenntnis, den ich jetzt aufgrund gefälschter elterlicher Entschuldigungen schwänze, ebensowenig schere ich mich darum, daß man nicht öffentlich an die Mauer des Theaters urinieren darf. Und auch den Weltkrieg nehme ich nicht zur Kenntnis. Deshalb sind wir hier.«
    »Ich verstehe«, sagte Ernő. »Und was machen Sie hier?« Sie schwiegen. Béla besah angelegentlich seine Fingernägel. Tibor drehte sich eine Zigarette.
    »Wir halten uns hier außerhalb ihrer Angelegenheiten auf«, antwortete Ábel. »Verstehst du das jetzt? Ich verabscheue, was die uns lehren. Glaube nicht, was die glauben. Und ich schätze nicht, was sie verehren. Ich war immer allein, mit der Tante. Was jetzt wird, weiß ich nicht. Aber ich will nicht mit denen leben, will auch nicht von deren Vorräten zehren. Deshalb bin ich hier. Hier kann ich gegen alles verstoßen, was ihre Gesetze sind.«
    »Sie und ihre, wer sind die?« fragte Ernő.
    Jetzt schrien sie alle zugleich:
    »Zum Beispiel die Schlosser.«
    »Oder die Advokaten.«
    »Lehrer, Bäcker, alle, egal.«
    »Alle, alle.«
    Sie schrien durcheinander. Béla brüllte aus vollem Hals. Ábel stieg aufs Bett: »Ich sage euch, durchbrennen müßte man, mit dem Fahrrad, zu Pferde. Jetzt, durch den Wald.«
    »Durch den Wald kommt man nicht mit dem Rad«, antwortete Tibor mit seinem sportlichen Sachverstand.
    Aber sie spürten, hier sind sie ganz nah an etwas herangekommen. Vielleicht waren sie gerade dem Geheimnis auf der Spur.
    Ábel brüllte sich in Ekstase. »Dein Vater ist ein großer Esel«, schrie er und wies mit dem Arm anklagend auf Ernő.
    »Was habe ich getan? Nichts. Die Tante hat mich zum Spielen ständig in den Garten geschickt, weil die Wohnung muffig war. Also habe ich dort gespielt. Dein Vater

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