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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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für ihren Haßkeinen Grund mehr. Jahrelang hatten sie sich gequält und gekränkt, doch im achten Ehejahr waren auch die Haßgefühle gemildert, die Rückfälle in die Arme des andern blieben aus, der ständige, ihr ganzes Wesen aufreibende Kampf, den sie füreinander und gegeneinander führten, ebbte ab. In dieser Zeit haßten sie sich ruhig und wortlos, beinahe rücksichtsvoll und nachsichtig. Sie saß im Schaukelstuhl am Fenster und mühte sich, aus Prockauers gelber Breecheshose, einem auffallend schönen maisfarbenen Beinkleid, einen Fettfleck zu entfernen, in der Kniegegend, vermutlich vom eingefetteten Sattel. An diesen Fleck, der groß und augenfällig war, wie alles an Prockauer, konnte sie sich jetzt ganz genau erinnern. Sie hatte zudem eine geradezu leidenschaftliche Begeisterung fürs Fleckenentfernen entwickelt. Prockauer kam ruhig, noch immer ein wenig erhitzt, auf sie zu, blieb vor ihr stehen, packte sie dann, ohne ein Wort zu verlieren, mit ausgestrecktem Arm im Genick und hob sie aus dem Stuhl, so wie er seine Hunde am Fell hochzunehmen pflegte, wo es ihnen am wenigsten weh tut. Während sie sich unter Prockauers Umarmung halb ohnmächtig vor Widerstreben und vor Ekel wand, überflutete ein süßer Schmerz ihren Körper, das Bewußtsein des Lebens, das Gefühl, daß sie jetzt, in diesem Moment, noch lebte, und was darauf folgte, war dann schon der Weg hinab, vielleicht dem Ende entgegen.
    An diesen Moment denkt sie jetzt, an diesen einzigen, völlig bewußt erlebten Augenblick ihres Lebens, da sie sich in Prockauers Armen wehrte und spürte, daß sie lebte, noch lebte. Später hat sie das nie mehr gespürt. Aus diesem Augenblick ist Tibor geworden. Prockauer hat sich ihr später noch gelegentlich genähert, doch daran erinnert sie sich nicht mehr.
    Ängstlich, mit unsicheren Fingern, öffnet sie das Hemd über ihrer Brust und kramt den Geldbeutel hervor. Den Beutel hat sie mit einer Sicherheitsnadel ans Hemd geheftet, fünfzehn Kronen holt sie heraus und legt das Geld zum Heiligenbildchen auf dem Nachtschrank. Dann läßt sie sich erleichtert in die Kissen zurückfallen.
    Mit schwacher Stimme ruft sie die beiden herein und weist mit zaghaftem Lächeln auf das Geld. Lajos sieht sie wortlos an und setzt sich auf einen Stuhl dem Bett gegenüber.
    Tibor zählt die fünfzehn Kronen nach und steckt das Geld ein. »Ich weiß, Mama, daß wir kein Geld haben«, sagt er liebenswürdig. »Ich würde dich auch nicht darum bitten. Jetzt muß ich weggehen, doch möchte ich dich ersuchen, mir am Abend, wenn ich zurück bin, sechshundert Kronen zu geben. Verstehst du? Sechshundert.«
    »Sechshundert Kronen«, sagt die Mutter hastig, als handle es sich um eine Selbstverständlichkeit, und setzt sich auf.
    »Gibst du sie mir?«»Sechshundert Kronen«, wiederholt sie. Fährt mit der Hand in die Luft. »Sechshundert.« Sie fällt auf ihr Kissen zurück und sieht starr, mit gefrorenem Lächeln, vor sich hin. »Euer Vater opfert sich an der Front fürs Vaterland. Sechshundert.« Sie stößt seltsame kurze Schreie aus und schüttelt heftig den Kopf.
    Tibor setzt sich zu ihr ans Bett, nimmt ihre Hand in die seine und wartet darauf, daß sie sich beruhigt. »Mutter, reg dich nicht auf«, sagt er. »Ich sehe, du begreifst es nicht. Aber bitte reg dich nicht auf.« Er steht auf. »Es wird schon irgendwie werden.«
    »Sechshundert Kronen«, wiederholt die Mutter. »Gütiger Gott. Heiliger Ludwig.«
    Unverständliche Wörter blubbern aus ihrem blutleeren Mund. Tibor legt die Hand auf die Stirn der Mutter und gibt dem Bruder mit einem Blick zu verstehen, daß es hoffnungslos ist.
    »Eine Hoffnung gibt es noch«, sagt er und beugt sich zu Lajos hin. »Am Nachmittag rede ich mit ihm.«
    Der Einarmige nickt mit ernster Miene, wendet den Blick aber nicht von der Mutter, die jetzt mit geschlossenen Lidern daliegt, als ob sie schlafe, und matt keucht. Mit gespannter Miene beugt er sich vor und beobachtet sie neugierig, ihm ist, als habe er einen neuen Zug an der Mutter entdeckt. Versonnen, mit leicht verwirrtem Lächeln betrachtet er sie.
    »Am Abend im Arabesque«, sagt Tibor leise zum Abschied und entfernt sich auf Zehenspitzen. »Am Abend«, sagt der Einarmige, ohne die Augen vom Gesicht der Mutter zu wenden, er legt einen Finger auf die Lippen, als wolle er zur Stille mahnen. Nachdem Tibor die Tür hinter sich zugezogen hat, steht er zuerst stumm und beugt sich dann über die Mutter. Er beobachtet sie einige Augenblicke lang mit

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