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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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In der Nacht hat sie überschlagen, wieviel Geld sie Tibor heute geben würde: für das Photo fünf Kronen, für das Bankett zehn Kronen. Auch ein Heiligenbildchen wollte sie ihm überreichen, eines vom heiligen Ludwig, des Schutzheiligen der Familie, nach dem der ältere Prockauer-Sohn benannt ist: Lajos, Ludwig.
    Ganz sicher ist sie sich nicht, ob Tibor sich über das Bild des Heiligen freuen würde. Auf jeden Fall hat sie es aus ihrem Gebetbuch herausgesucht und auf dem Nachtschränkchen bereitgelegt.
    »Mutter«, sagt Lajos in seinem singenden, quengelnden Ton, »Tibor braucht Geld.«
    Beim Waschen haben die Brüder die letzte gemeinsame Attacke besprochen. Die Mutter muß das Geld hergeben. Niemand sonst kann helfen. Mutter soll ihnen das Geld zur Verfügung stellen, sie zahlen dann am Nachmittag Havas aus und schmuggeln das Silber zurück an seinen Platz.
    Tibor würde sich als Freiwilliger zur Ausbildung melden und die Clique heute nacht auseinandergehen. Die vergangene Nacht wurde mit keinem Wort erwähnt. Lajos hatte Tibor heimtransportiert und zu Bett gebracht, ihm, wie einem Kranken, die Schuhe ausgezogen. Er deckte ihn zu und saß an seinem Bett, bis er schlief. Tibor ließ alles mit sich geschehen. Irgendwann stand er auf, ging zu Lajos’ Bett, und als er ihn mit geschlossenen Augen liegen sah, schlich er zur Waschkommode und begann, sich mit Seife und Bürste den Mund und das Gesicht zu säubern. Er rubbelte und spülte sich ein ums andere Mal Wasser übers Gesicht, dann legte er sich wieder hin.
    Tibor lag schlaflos, unruhig, griff sich zwischendurch an den Mund und wischte über seine Lippen. Das Bett drehte sich langsam mit ihm, aber dieser Schwindel hatte schon etwas Beruhigendes, er spürte, daß das Drehen zu Ende ging, die Platte wird gleich abgelaufen sein, es kehrt Ruhe ein, sie stehen reglos, es wird hell, und die Sonne geht auf. Am Morgen will ich ins Schwimmbad, denkt er. Tief, ganz tief unten, wie nach einem Absturz, fühlt er sich, als liege er schon ruhig da, als könne danach nichts mehr kommen; nur zu rühren wagt er sich eben noch nicht, wie einer, der Angst hat, gewahr zu werden, daß er sich den Arm oder ein Bein gebrochen hat. Von Zeit zu Zeit betasten seine Finger den Mund, und er lächelt erleichtert. Ihm kann nichts mehr passieren, er hat alles hinter sich. Mutter gibt das Geld, und jeder lebt sein Leben weiter. Man kann wieder gesund werden, denkt er. Wenn ich von hier wegkomme, werde ich gesund.
    »Ich weiß überhaupt gar nichts«, klagt die Mutter statt einer Antwort. »Mir sagt ja keiner was. Ich liege hier hilflos und erlebe den Morgen vielleicht gar nicht mehr, aber ihr kommt im Morgengrauen heim, steigt durch das verfluchte Fenster. Ich weiß nicht einmal, ob du die Prüfung bestanden hast, mein Sohn.«
    Daß Tibor durchgefallen ist, und alles, was damit zusammenhängt, haben sie seit gestern so gründlich verdrängt, daß sie über die Frage der Mutter erst nachdenken müssen. »Hast du schon das Zeugnis, mein Kind?« fragt sie.
    Der Einarmige sieht sich um und sagt, als sei die Mutter gar nicht anwesend, ermutigend: »Du wirst sehen, sie wird es uns geben. Überlaß das nur mir. Sie muß es uns auf jeden Fall geben.«
    Der Mutter rinnen Tränen über die Wangen. Sie kann, wenn sie will, jederzeit weinen. Tibor sieht es mit hoffnungsloser Gleichgültigkeit, er hat sich in den drei Jahren daran gewöhnt, daß die Mutter immer, wenn man von ihr etwas haben will, zu weinen anfängt.
    »Die Zeugnisse sind noch nicht verteilt worden«, tröstet er sie. Die Mutter weint weiter vor sich hin, ohne sich zu steigern, als ob ein Mechanismus für eine bestimmte Zeit in Gang gesetzt worden wäre, der in Bewegung bleibt, bis er schließlich abgelaufen ist.
    Nachdem sie sich die Tränen abgetrocknet hat, nimmt sie das Heiligenbildchen vom Nachtkästchen und überreicht es Tibor. »Das wird dich schützen«, sagt sie und schnieft. »Ich wage gar nicht zu fragen, wo ihr heute nacht gewesen seid. Du brauchst heute Geld, mein Junge, ich weiß. Habe mich auch schon erkundigt, der Photograph kostet fünf Kronen. Wieviel benötigst du fürs Bankett?«
    »Es gibt kein Bankett«, antwortet Lajos. »Eine Maifeier werden wir veranstalten.«
    »Eine Maifeier? Ganz neue Sitten«, bemerkt sie abfällig. »Am Ende kommst du dann mit einer Erkältung heim. Lajos, nimm einen Mantel mit.«
    »Mama«, erwidert Lajos, »ich habe vier Monate am Isonzo im Schützengraben gelegen. Auch bei Regen. Da

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