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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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Schutz und hinterläßt seine Anschrift. Wenn es um Geld geht, ist er nicht ganz verrückt. Er lebt weiter, doch das Leben schmeckt ihm nicht, das Gebräu ist bitter, gelegentlich läuft vor seinen Augen alles ineinander, was er sieht; wenn er einem Weibsbild begegnet, wendet er sich ab und blickt zu Boden. Die Hand des Herrn ruht schwer auf deinen Schultern, denkt er. Eines Tages nimmt er ein paar alte Schuhe unter den Arm, ihm fällt der Verrückte in der engen Fischergasse ein; als der ihn sieht, erhebt er sich gleich von seinem dreibeinigen Schemel, kommt ihm humpelnd entgegen und setzt an mit dem Auszug Israels und mit den Fleischtöpfen. Woher kann er wissen, daß bei mir zu Hause Fleischtöpfe stehen? Der Bärtige setzt sich zurück auf seinen Schemel und deklamiert, das amüsiert ihn, verwirrt ihn aber zugleich. In der Ecke sitzt ein Bübchen und liest bei Kerzenlicht, nimmt den Besuch gar nicht wahr. >Mein Sohn<, sagt der Bärtige, >er wird einmal zur Herrenklasse gehören, steh auf, Ernő, begrüße den gnädigen Herrn.<«
    Mit dem Oberkörper legt er sich über den Tisch und stützt die Ellbogen auf, jetzt ist sein Gesicht ganz nah bei den Jungen. Er spricht leiser und schnaufend, etwas abgehackt. Ábel lehnt sich auf seinem Stuhl zurück, umfaßt mit beiden Händen die Stuhlbeine, sitzt regungslos.
    »Ein sehr vernünftiger Bub«, sagt Havas ruhig, flüsternd. »Ein schmächtiger kleiner Spatz, aber ein aufgewecktes Kind. Anderntags bringt der Kleine mir die Schuhe. Es läßt sich sehr vernünftig mit ihm reden. Er kommt oft um diese Stunde nach dem Mittagessen in meine Wohnung herauf, und man kann sich dann lange mit ihm unterhalten. Sehr gescheit, weiß über alles Bescheid, kann auch zuhören, wenn der Mensch über ernste Dinge mit ihm spricht. Alles kann man als ernster Mensch mit ihm bereden, was man denkt und was einen bedrückt. Ein sehr armer Bub, aber mit großem Ehrgeiz. Er hat Pläne, will ins Ausland gehen. Es ist eine Freude, sich mit ihm zu befassen. Seine Kleidung ist so armselig, daß er einem Menschen mit Herz leid tun muß. Er möchte einmal reich sein, wenn er erwachsen ist, klug und mächtig, hat den Wunsch, sich in der Stadt niederzulassen, in der er arm war, in der er Kindern aus besseren Kreisen die Bücher getragen hat, in der er seine wohlhabenderen Kameraden für eine Jause oder ein Mittagessen unterrichten mußte, und es ist vorgekommen, daß er gezwungen war, einem von ihnen die Schuhe zu putzen. Den Mitschülern aus vermögenden Familien tut er oft leid, und sie geben ihm Schuhe zum Besohlen für den Vater mit, weil sie ihm und seiner Familie helfen wollen. Er muß viel lernen, denn er ist mittellos und genießt Schulgeldfreiheit, dazu ist er körperlich nicht besonders gesegnet, sondern eher schwächlich wie der Vater, mit manchem seiner stattlichen Kameraden aus besseren Kreisen ganz und gar nicht zu vergleichen. Sein Ehrgeiz ist sehr ausgeprägt. Zeitweise kommt er täglich, ißt hier zu Mittag, verschmäht die Fleischtöpfe des einsamen Witwers nicht. Dem Vater nimmt er Geschenke mit nach Hause, gelegentlich kommt auch der Vater, aber immer in Abwesenheit des Jungen, er macht Komplimente, dienert und sagt: >Geläutert wird nur, wer gesündigt hat. Ich danke dem gnädigen Herrn für die wohlmeinende Geneigtheit, die er meinem Sohn entgegenbringt.< Das Bübchen kommt jeden Tag, so ein Junge benötigt mancherlei, Kleider, Bücher, Wäsche, er bereitet sich auf ein Auslandsstudium vor, läßt sich bei der Post ein Sparbüchlein ausstellen und zahlt das Geld ein, das er hin und wieder bekommt. Er berichtet über alles, hauptsächlich erzählt er von seinen Kameraden. Drei hat er, sagt er, und noch einen vierten, der kein Mitschüler mehr, aber immer mit ihnen zusammen ist.«
    Als hätte das Gewitter eine Pause eingelegt: Die Gegenstände im Zimmer und auch sie selbst sind in der Windstille für einen Moment in lähmender Bewegungslosigkeit erstarrt. Dann schlägt der Sturm das Fenster auf, wirft mit einem gewaltigen Stoß Gegenstände um und trägt den Regen ins Zimmer.
    Der Pfandleiher rührt sich nicht. Als habe er in diesem Augenblick nichts gehört und gesehen. »Sie haben viel miteinander zu reden, was sie alle betrifft. Eines Tages sagt der Junge: >Was für feine Burschen sie sind. Bei ihnen ist alles anders, auch jetzt, wo die Väter fort sind. Wie sie grüßen und sprechen, alles tun sie anders, als wir es können. Weil sie so untereinander sprechen, so vertraulich.<

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