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Die Jungfrau im Lavendel

Titel: Die Jungfrau im Lavendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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nicht im Ernst wollen. Sie werden es dir und deinesgleichen schwer genug machen, da kannst du sicher sein. Und ich, als Algerierin, als Araberin? Was glaubst du, wie sie mich behandeln werden? Außerdem würde ich meine Heimat nie verlassen.«
    »Es ist meine Heimat auch.«
    Das braune Gesicht Melizas war voll Hochmut. »Es ist mehr meine Heimat als deine. Aber du kannst nichts dafür, du bist hier geboren, du hast immer hier gelebt. Dennoch müssen die französischen colons verschwinden, sie haben uns nun über hundert Jahre unterdrückt und beherrscht. Wir sind freie Araber.«
    So sprach Meliza, die Dido liebte, die für sie gesorgt hatte, seit sie auf der Welt war, denn Didos Mutter starb bei der Geburt ihrer Tochter.
    Meliza verließ Dido auch jetzt nicht, auch wenn sie gleichzeitig wünschte, daß die Franzosen besiegt und vertrieben würden. So gespalten waren die Herzen selbst der Araber, die eher auf einen Ausgleich bedacht waren. Der jahrzehntelange Kampf im Untergrund, der seit Jahren brutale offene Krieg, der an Grausamkeiten kaum zu übertreffen war, auf beiden Seiten, hatte das verschuldet. Meliza sah für sich selbst aus diesem Konflikt keinen Ausweg – die Treue zu Dido auf der einen Seite, die Liebe zu ihrem Land auf der anderen, nur der Tod konnte sie erlösen.
    Ein kleines Beutelchen mit dem tödlichen Pulver hatte Dido von Meliza erhalten.
    »Bewahre es, meine schöne Blume. Es geht ganz schnell und tut nicht weh. Es ist beruhigend, so etwas bei sich zu tragen.«
    Auch Didos Bruder Alain hatte so ein Beutelchen erhalten, als sie ihn das letztemal sahen, ehe er im Dschungel der unübersichtlichen Kämpfe verschwand.
    »Wir werden Frankreich zur Raison bringen und de Gaulle verjagen«, hatte er prahlerisch verkündet, er war gerade dreiundzwanzig. »Keiner wird uns aus Algerien vertreiben. Ich brauche dein Pulver nicht, Meliza.«
    »Nimm es dennoch.«
    Auch Alain war vom ersten Tag seines Lebens an Melizas Fürsorge anvertraut gewesen, so steckte er denn gehorsam das Beutelchen ein.
    Das war sieben Jahre her. Dido wußte nur, daß man ihn gefangengenommen hatte, das wußte sie von Pierre. War es möglich, daß Alain noch immer im Gefängnis war, hatten sie ihn hingerichtet, hatte er das Pulver doch genommen?
    Er konnte sehr wohl noch im Gefängnis sein, sicher hatte er viele Menschen getötet während seiner Zeit in der OAS, nicht nur Araber, auch Franzosen. Genau wie sein Vater mochte er an den Attentaten auf de Gaulle beteiligt gewesen sein. Der General würde Alain gewiß nicht begnadigen, falls er noch lebte. Ah, de Gaulle, dieser Heuchler, dieser Verräter, der sich als Retter des Vaterlandes preisen ließ und Algerien wegschmiß wie einen alten Lumpen. Nur weil Frankreich vor dem Bürgerkrieg stand, hatten sie ihn herausgeholt aus seinem Versteck in Colombey-les-deux-Eglises, von wo aus er längst die Fäden gesponnen hatte, die ihn wieder an die Macht bringen sollten. Er war bereit, Algerien preiszugeben, nur um wieder Herr Frankreichs zu werden.
    So sah es Dido, so hatte ihr Vater es gesehen und alle Freunde, die damals um sie waren. Wenn Dido an den Präsidenten dachte, war sie erfüllt von Haß. Seinetwegen hatte sie die geliebte Heimat verloren, seinetwegen war ihr Vater tot, den sie geliebt hatte, wie sonst nichts auf der Welt. Er war gefallen in diesem sinnlosen Kampf. Nein, es war kein sinnloser Kampf gewesen. Er wollte ihnen die Heimat bewahren. War es nicht wert, dafür zu sterben? Und die einzige Zuflucht auf der Erde, die ihr geblieben war, die Ferme, kam schließlich auch von ihm. Er hatte sie gekauft und bar bezahlt, um für die OAS einen Stützpunkt zu haben, tief versteckt in den provençalischen Bergen, zwischen Wäldern und dem unwegsamen maquis, die schon die Widerstandskämpfer des Krieges verborgen hatten.
    Das wußten sie ganz genau die Spießer da unten in Lassange, auch wenn sie so taten, als hätten sie Albert de Valmeraine nie gekannt. Genau wie sie wußten, daß sie Alberts Tochter war. Nie hatte einer sie daraufhin angesprochen, sie sprachen überhaupt nicht mit ihr.
    Sie konnten nicht ahnen, und sie wollten es auch gar nicht wissen, was sie verloren hatte, diese arme Ausgestoßene auf der einsamen Ferme. Sie wußten nicht, wie herrlich Afrika war, sein Duft, seine Glut, seine kühlen Nächte, seine Weite der endlosen Freiheit.
    Der erste Valmeraine war Mitte der vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts nach Algerien gekommen, 1830 hatte Karl X. Algier erobert, und

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