Die Jungfrau im Lavendel
gefragt, erkannte Clemens, zahlte und entrauschte. Immerhin, die Ausbeute ließ sich sehen. Sie wohnte in dem Haus, mußte also vermögend sein. Sie kam aus Rio, und es gab einen Monsieur. Kein junges Mädchen.
Herauszufinden, wer Monsieur war, dürfte die nächste Aufgabe sein.
Clemens versuchte es in verschiedenen Bars, an diesem und am nächsten Tag, wobei er nichts oder nichts Neues erfuhr. Fündig wurde er dann dank dem Eden Roc, dem feinsten Laden am Cap. An einem der nächsten Tage versetzte er Juschi zum Essen und speiste ausgewählt und ausführlich auf der Terrasse des Luxushotels. Es war ein Hochgenuß, und er versäumte nicht, es dem gutaussehenden jungen Kellner, der ihn aufmerksam bediente, davon in Kenntnis zu setzen.
»Das freut uns, Monsieur«, sagte der schlanke Dunkelhaarige mit einem höflichen Lächeln.
»Sie sind Spanier? Oder Portugiese?« fragte er.
»Ich bin Italiener, Monsieur.«
»Ah so! Wissen Sie, ich hatte die Hoffnung – ich kam unter anderem hierher zum Essen, weil ich hoffte, Madame Henriques hier zu treffen. Sie speist öfter hier, wie man mir sagte.«
Das war ein Schuß ins Dunkle. »Und da Madame ja aus Rio kommt«, er lachte leicht, »ich dachte, Sie kennen sie vielleicht.«
Die Vermutung war richtig. Er erfuhr, daß Madame Henriques wirklich öfter dem Haus die Ehre gebe. Aber nun hätte man sie seit einiger Zeit nicht gesehen. Sie müsse wohl verreist sein.
»Wie schade! Ich habe Madame vor einiger Zeit in Paris kennengelernt und hätte sie gern einmal wiedergesehen.« Die Geschichte von dem Neffen ließ er diesmal weg.
»Im Mas Maurice erfuhr ich auch schon, daß sie zur Zeit nicht da ist. Sie gab mir die Adresse und lud mich ein, sie zu besuchen, wenn ich in die Gegend käme. Aber nun habe ich es offenbar schlecht getroffen.«
»Sehr bedauerlich, Monsieur«, meinte der Kellner und wollte sich entfernen.
»Und Monsieur Henriques ist auch nicht da«, schoß Clemens einen weiteren Versuchspfeil ab.
Der Kellner stutzte, verhielt einen Augenblick, seine Augen wurden schmal.
»Das dürfte auch kaum möglich sein, Monsieur«, sagte er dann. »Madame ist Witwe.«
»Ah so! Aber ich habe doch …«, sagte Clemens sehr langsam und knüllte sorgfältig seine Serviette zusammen.
Leider kam nichts mehr. Der Kellner verneigte sich leicht. »Sie entschuldigen mich, Monsieur?« und entschwand.
Später faßte er vor Juschi zusammen, was er ermittelt hatte. »Viel ist es nicht. Immerhin wissen wir jetzt, Anita muß zuletzt mit einem reichen Brasilianer verheiratet gewesen sein, da kommen die Kopeken her. Sie scheint wirklich nicht da zu sein, und wenn sie sich Virginia geholt hat oder hat holen lassen, dann sind sie vermutlich jetzt wirklich in Rio. Möglicherweise hat sie dort auch so eine bescheidene Bleibe.«
»Dann vertrödeln wir hier nur unsere Zeit«, sagte Juschi energisch. »Laß uns nach Hause fahren.«
»Gefällt es dir hier nicht?«
»Doch, schon. Aber es ärgert mich, so nutzlos herumzusitzen.«
»Und mich ärgert es, so ergebnislos nach Hause zu kommen. Und ich verstehe nicht, daß keiner hier das Mädchen gesehen hat.«
»Na, vielleicht war sie gar nicht hier. Wenn sie sich in Mailand getroffen haben, können sie ja von dort aus nach Rio oder sonstwohin geflogen sein.«
»Ich gehe morgen noch einmal in den Mas Maurice und frage diese stolze Gouvernante zum zweitenmal nach ihrer Chefin. Zu dumm, daß ich ihr meine Karte gegeben habe. Sonst hätte ich mich dort auch als Neffe vorstellen können.«
»Du wirst es so lange machen, bis du auf der Polizei landest.«
»Könnte sein, ich hätte denen auch etwas zu erzählen. Die Geschichte von einem verschwundenen Mädchen nämlich.«
Das zweite Gespräch mit Rose, an der Tür, verlief ähnlich wie das erste. Nur daß plötzlich ein Lieferwagen vorfuhr, während Clemens noch versuchte, Rose ein weiteres Wort zu entlocken.
Aus dem Lieferwagen sprang ein junger Mann, kam eilig angelaufen, grüßte kurz und überreichte Rose ein dünnes, rechteckiges, sorgfältig verpacktes Gebilde.
»Schönen Gruß von Monsieur Castellone. Das Bild ist endlich fertig, das Madame Henriques bestellt hat.«
»Was für ein Bild? Wo kommt es denn her?«
»Na, von dem Maler Castellone. Er war krank, darum hat es so lange gedauert. Madame Henriques hat erst kürzlich aus Paris angerufen, ob das Bild denn nicht endlich fertig sei. Ich muß weiter, ich hab's eilig. Au revoir.« Er drückte Rose das Paket in die Hand und lief zurück
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