Die Jury
Fall gehört habe, der mehr Publicity bekam. Er räumte ein, es sei unmöglich, irgendwo in Mississippi objektive, unbeeinflußte Geschworene zu finden. Angenommen, der Prozeß findet in Ford County statt und der Angeklagte wird verurteilt. Dann legen Sie mit dem Hinweis Berufung ein, daß der Verhandlungsort nicht verlegt wurde. Denton deutete an, er sei mit meiner Entscheidung einverstanden, Ihren Antrag zurückzuweisen. Er glaubt, die Mehrheit im obersten Gericht sei bereit, einen entsprechenden Beschluß meinerseits zu bestätigen. Das ist natürlich keine Garantie, und wir haben eben nur bei einigen langen Drinks darüber gesprochen. Übrigens: Möchten Sie einen Drink?«
»Nein, danke.«
»Ich halte es schlicht und einfach für sinnlos, das Verfahren anderswo stattfinden zu lassen. Es wäre dumm anzunehmen, wir könnten zwölf Personen finden, die sich nicht schon eine Meinung über Mr. Hailey gebildet haben.«
»Das klingt so, als hätten Sie sich entschieden.«
»Ja. Der Verhandlungsort wird nicht verlegt. Wir stellen Ihren Mandanten hier in Clanton vor Gericht. Obwohl mir dabei nicht ganz wohl zumute ist, wenn Sie mir diese Bemerkung gestatten. Aber die hiesigen Geschworenen sind nicht besser oder schlechter als außerhalb von Ford County. Darüber hinaus mag ich das Gerichtsgebäude in Clanton. Es ist nicht weit von hier entfernt, und dort funktioniert die Klimaanlage.«
Noose griff nach einer Akte und schob sie in einen Umschlag. »Diese richterliche Anweisung trägt das Datum von heute und lehnt Ihren Antrag auf Verlegung des Verhandlungsortes ab. Ich schicke Buckley eine Kopie, und Sie bekommen ebenfalls eine. Dies ist das Original. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie meinen Entschluß im Bericht zu Protokoll geben würden.«
»Selbstverständlich, Richter.«
»Ich hoffe inständig, daß ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Sie fiel mir sehr schwer.«
»Ihr Job ist bestimmt nicht einfach«, sagte Jake und brachte Mitgefühl zum Ausdruck.
Noose rief die Hausangestellte und bestellte Gin mit Tonic. Er bestand darauf, seinem Gast den Rosengarten zu zeigen. Eine Stunde verbrachten sie hinter dem Haus, und Jake bewunderte die Rosen. Er dachte an Carla, Hanna und das Dynamit, doch irgendwie gelang es ihm, Ichabod zuzuhören und seinen Monolog gelegentlich mit eigenen Bemerkungen zu unterbrechen.
An Freitagnachmittagen erinnerte sich Jake oft an die Universitätszeit. Bei schlechtem Wetter hatten seine Freunde und er damals ihre Stammkneipe in Oxford besucht, um Bier zu schlürfen, neue juristische Theorien zu erörtern oder die unverschämten, arroganten und terroristischen Professoren zu verfluchen. Wenn die Sonne schien, packten sie genug Bierdosen in Jakes alten Käfer und fuhren zum Strand des Sardis Lake, wo Studentinnen ihre wundervollen, bronzefarbenen Körper mit Öl einrieben, schwitzten und die Pfiffe ihrer betrunkenen Studienkollegen ignorierten. Jake vermißte jene unschuldigen Tage. Er haßte die Universität – alle Jura-Studenten haßten sie, zumindest jene, die noch alle ihre Sinne beisammen hatten –, doch jetzt trauerte er den Freunden und Feten nach, insbesondere den Freitagnachmittagen. Er vermißte den völlig streßfreien Lebensstil, obgleich ihm die Belastungen damals unerträglich erschienen, insbesondere während der ersten Jahre, wo die Professoren noch gemeiner waren als sonst. Er vermißte es, pleite zu sein: Wer nichts besaß, konnte auch nichts verlieren, und außerdem ging es den anderen Studenten ebenso. Jetzt hatte er ein Einkommen und machte sich dauernd Sorgen über Hypotheken, Geschäftskosten und Kreditkarten. Er eiferte dem amerikanischen Traum vom Wohlstand nach. Nein, es ging nicht um Reichtum, nur um Wohlstand. Er vermißte den VW, seinen ersten neuen Wagen – ein Geschenk zum Abschluß der High-School. Bezahlt, im Gegensatz zum Saab. Und er vermißte das Bier: aus Karaffen, Flaschen oder Dosen. Damals trank er nur in Gesellschaft seiner Freunde, und er war so oft wie möglich mit ihnen zusammen. Er trank nicht an jedem Tag, und er wurde nur selten betrunken. Aber er entsann sich an den einen oder anderen sehr unangenehmen Kater.
Dann war Carla in sein Leben getreten. Jake lernte sie zu Beginn seines letzten Semesters kennen, und sechs Monate später fand die Hochzeit statt. Sie war wunderschön, und dieser Umstand weckte seine Aufmerksamkeit. Zuerst erschien sie ihm introvertiert und ein wenig versnobt, und in dieser Hinsicht ähnelte sie den
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