Die Juweleninsel
Antwort war es ihm anzusehen, daß er sich in einer außerordentlichen Verlegenheit befand. Sein Geheimniß war ernstlich in Gefahr.
»Ich werde ihn holen, ich selbst und kein Anderer.«
Mit diesen Worten erhob sich der Falke.
»Ich werde ihn Dir bringen,« rief Sander. »Du würdest ihn nicht finden.«
»Bleib; ich finde ihn!«
Da sprang der Renegat empor.
»Und dennoch werde nur ich ihn holen! Er gehört mir, und das Wigwam ist mein, es darf kein Anderer ohne Erlaubniß eintreten!«
»Auch ich nicht, der Falke, welcher der oberste Häuptling seines Volkes ist?«
»Auch Du nicht!«
»Wurm! Doch Du hast Recht, Du kannst es jedem Einzelnen, also auch mir verbieten, die Stelle Deines Feuers zu betreten, aber Deine Weigerung ist ein Beweis, daß Du der Lügner bist, und daß dieses Bleichgesicht die Wahrheit gesprochen hat. Du bist ein Feigling; Du wirst aus unserem Volke gestoßen! Morgen mag die Versammlung über Dich entscheiden!«
»Ich bin nicht feig!«
»Du bist es, sonst würdest Du nicht lügen, sondern Deinen Namen bekennen und dann nach Sitte der Komanchen mit diesen Männern kämpfen.«
»Ich werde Dir zeigen, daß ich kein Feigling bin!«
»Womit?«
»Ich werde mit ihnen kämpfen.«
»So bist Du der, welchen sie suchen?«
»Ja.«
»Du hast bei ihnen die Arbeit der Weiber verrichtet?«
»Ich war ihr Diener.«
»Willst Du ihnen die Briefe zeigen, von denen ich vorhin gesprochen habe?«
»Nein.«
»Wirst Du ihnen sagen, was sie von Dir zu wissen begehren?«
»Nein.«
»Auch mir, Deinem Häuptlinge nicht?«
»Nein. Ich bin in dieser Sache Niemand Rechnung schuldig, als nur mir selbst.«
»Es kann Dich Niemand zwingen. Aber Du wirst mit diesen Bleichgesichtern kämpfen, nachdem wir hier die Stunde des Kampfes bestimmt haben. Gehe!«
Sander erhob sich. Man sah es ihm an, daß er sich erleichtert fühlte.
»Halt!« rief da der Pater.
»Was willst Du?« frug der Falke.
»Dieser Mann darf nicht allein in sein Wigwam gehen!«
»Warum?«
»Er darf den Medizinbeutel nicht behalten.«
»Warum?«
»Der Beutel enthält Briefe, die für uns ganz außerordentlich wichtig sind.«
»Sie sind sein Eigenthum.«
»Nein; sie gehören uns!«
»Er hat sie empfangen; sie sind sein.«
»Das Papier gehört ihm, der Inhalt aber ist nicht sein, sondern unser Eigenthum, denn er enthält das, was wir von ihm wissen wollen!«
»Das Papier ist sein, und die Schrift ist Euer? Ihr werdet morgen mit ihm kämpfen, und der Medizinbeutel wird nach dem Kampfe dem Sieger gehören.«
»Aber wenn Du ihn jetzt gehen lässest, so wird er die Briefe vernichten.«
»Ich werde ihm zwei Männer mitgeben, denen er den Beutel geben soll.«
»Ich gebe ihn nicht her,« meinte Sander, »er ist mein Eigenthum.«
»Er wird Dir nicht genommen; er soll nur aufgehoben werden bis nach dem Kampfe; wenn Du tapfer bist, so erhältst Du ihn ja wieder zurück.«
»Gut, ich werde Dir ihn anvertrauen!«
Er ging und auf einen Wink des Falken schlossen sich ihm zwei Andere an.
Dies konnte den Jägern allerdings nicht lieb sein, aber sie waren gezwungen, sich darein zu fügen. Sie wurden nach ihrem Zelte geführt, wo man sie bewachte.
Der Tag verging, ohne daß sich etwas Nennenswerthes begeben hätte, und ebenso ging auch die Nacht zu Ende. Am andern Vormittage öffnete sich ihr Zelt, und es erschien ein Indianer, welcher ihnen befahl, ihm an den Berathungsplatz zu folgen.
Dort waren die Häuptlinge und Angesehensten des Stammes wieder versammelt. Man wies ihnen ihre Plätze an, und sie setzten sich voller Erwartung nieder.
Der Falke begann:
»Der große Geist zürnt den Kriegern der Komanchen, daß sie die Pfeife des Friedens geraucht haben mit den Bleichgesichtern, die eine weiße Farbe haben.«
Er hielt inne und blickte sie einen nach dem Andern an, als ob er eine Antwort erwarte, als aber keiner von ihnen das Schweigen brach, fuhr er fort: »Es ist den Söhnen der Komanchen ein großes Unglück widerfahren.«
»Welches?« frug der Pater.
»Auch den Bleichgesichtern wird dies Unglück nicht gefallen.«
»So erzähle es!«
»Die Bleichgesichter wollten kämpfen mit Rikarroh –«
»Wir werden mit ihm kämpfen!«
»Sie können ihn nicht besiegen!«
»Warum?«
»Weil er sich nicht mehr im Lager der Komanchen befindet. Er ist fort.«
Die Weißen sprangen zornig auf.
»Du lügst!« rief der Pater.
»Wie dürfen die Weißen es wagen, den Häuptling der Komanchen einen Lügner zu nennen! Sie mögen dieses Wort bereuen
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