Die Juweleninsel
einander Distanz, so daß sie eine gerade Linie bildeten, die in ihrem Vorrücken sich auf der einen Flanke an das Ufer des Flusses stützte.
So verfolgten sie die Richtung mit scharf umherspähenden Augen, aber es bot sich ihnen nicht der kleinste Gegenstand dar, welcher ihnen einen Anhalt hätte geben können.
Da plötzlich erschollen Huftritte gerade vor ihnen. Das waren nicht zwei, sondern mehr, viel mehr Reiter. Die Suwars zogen sich schnell zusammen. Es konnte eine Streifpatrouille der Engländer sein, denen nicht zu trauen war, obgleich man den Feldzug in gegenseitigem freundlichen Einvernehmen begonnen hatte. Weiße Mäntel glänzten durch die Nacht und über ihnen war eine Reihe weißer Turbans zu erkennen.
»Es sind keine Ferenghis, 31 es sind Freunde,« meinte der Anführer der Suwars. »Kommt, wir werden den Sultan bei ihnen finden!«
Sie ritten den Ankommenden entgegen. Diese stutzten erst und blieben halten, schienen aber ihre Besorgniß aufzugeben, als sie erkannten, daß sie nur eine geringe Anzahl Reiter sich gegenüber hatten. Einer löste sich aus ihrer Reihe und ritt vor.
»Halt! Wer seid Ihr?«
»Suwars des Sultans von Symoore, den Allah mit Ruhm und Ehre segnet.«
»Was thut Ihr hier?«
»Sage zuvor, wer Ihr seid?«
»Suwars des Maharajah von Kamooh, den Allah nach Augh führte.«
»Augh gehört bereits unserem Sultan.«
»Wir wissen es. Also, was thut Ihr hier?«
»Wir warten auf unsern Gebieter.«
»Auf den Sultan?«
»Ja.«
»Ah! Er hat einen nächtlichen Ritt unternommen?«
»Ja. Habt Ihr nicht zwei Reiter gesehen?«
»Zwei Reiter? ja. Wie waren sie gekleidet?«
Der Suwar beschrieb die Kleidung des Sultans und des Phansegars deutlich.
»Merkwürdig!« meinte der Andere. »Ritt der Sultan einen Schimmel?«
»Ja.«
»Und der Begleiter desselben ein etwas kleineres dunkles Thier.«
»Ja.«
»Hm! Wir sind zwei Reitern begegnet, von denen der eine gefesselt war. Er war, wie es mir schien, mit seinem eigenen Turban angebunden und ritt einen Schimmel, den der andere Reiter am Zügel führte. Wir begegneten diesem und hielten ihn an, aber er riß seine Pferde plötzlich herum und sprang mit ihnen in den Strom.«
»Allah akbar, es ist der Sultan gewesen, und der Andere war sicher ein Thug.«
Diese Worte wurden mit dem größesten Schrecken ausgerufen.
»Ein Thug? Woraus schließest Du das?«
»Nur ein Thug wagt es, einen Sultan mitten aus den Seinen heraus lebendig zu entführen. Ein gewöhnlicher Feind hätte den Sultan getödtet und wäre dann entflohen.«
»Das ist richtig. Ha, welch eine Nachricht: der Sultan von Symoore in den Händen der Thugs, und der Rajah von Kamooh verschwunden!«
»Wie? Euer Maharajah ist auch verschwunden?« frug der Suwar verwundert.
»Ja. Jedenfalls ist er ebenso wie Euer Sultan in die Hände der Thugs gefallen. Kannst Du mir sagen, ob der Maharajah von Augh entkommen oder gefangen worden ist?«
»Er wurde getödtet; aber seine Leiche ist entführt worden.«
»Getödtet? Ha, dieser Ritt hat guten Lohn getragen, wie mir scheinen will!«
Er gab seinen Leuten ein Zeichen. Sie zogen ihre Säbel, und im Nu sahen sich die Suwars von Symoore umzingelt. Der Sprecher zog auch den Degen und fuhr fort: »Laßt Euch sagen, daß wir nicht zum Rajah von Kamooh gehören. Wir sind Engländer, ich spreche Eure Sprache so gut wie Ihr und konnte Euch leicht täuschen. Ihr seid meine Gefangenen. Gebt Eure Waffen ab, sonst hauen wir Euch zusammen!«
Der Suwar sah, daß Gegenwehr vollständig fruchtlos sein würde, da er mit den Seinen einer zehnfachen Uebermacht gegenüberstand. Er versuchte zu unterhandeln: »Ihr gehört zu den Inglis? Was greift Ihr uns an? Wir sind ja Freunde!«
»Wir waren Freunde bis heut. Da Ihr aber Augh nicht räumt, so ist der Vertrag zwischen uns und Euch außer Kraft getreten. Wir sind aus Freunden Gegner geworden.«
»Augh gehörte doch Dem, der es zuerst eroberte.«
»Ich kenne die Bedingungen des Vertrages nicht; ich habe nicht darüber zu entscheiden, sondern ich muß Euch einfach gefangen nehmen und bei uns abliefern. Also die Waffen her, sonst zwingt Ihr mich, den Befehl zu geben, Euch niederzuschlagen.«
»Wohl! Wir sind in Deiner Hand. Allah mag entscheiden zwischen uns und Euch.«
Er gab sich gefangen. Seine Leute folgten seinem Beispiele. Der kühne nächtliche Ritt der Engländer hatte einen reichen Erfolg gebracht. Sie hatten nicht nur Gefangene, sondern auch Nachrichten gefunden, welche, wenn sie sich
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