Die Kälte Des Feuers
Eingeständnis zwingen, daß der Feind aus ihm selbst kam - bevor jene finstere Identität vollständig die Kontrolle über ihn an sich riß. Einmal mehr hatte sie das außerordentlich unangenehme Gefühl, daß die Zeit knapp wurde.
»Gestern hast du die Route bestimmt und mir diesen Ort gezeigt«, sagte Holly nach einer Weile. »Angeblich wurde hier einmal ein Film gedreht.« Sie lauschte dem Echo der letzten Worte und hob ruckartig den Kopf. »He, einen Augenblick … Hast du Robert Vaughn bei dieser Gelegenheit gesehen? Spielte er eine Rolle in dem Film?«
Jims Gesicht zeigte Verwirrung, und Falten fraßen sich ihm in die Stirn, als er seinen Blick durch den kleinen Park schweifen ließ. Schließlich ging er zur Windmühle, und Holly folgte ihm.
Zwei wetterfeste Gedenktafeln säumten den mit Fliesen ausgelegten Pfad vor dem Zugang der Mühle. Das bedruckte Papier ruhte in schräg angebrachten, wasserdichten und von Plexiglas bedeckten Schaukästen. Die Tafel auf der linken Seite, vor der sie zuerst stehenblieben, gab allgemeine Hintergrundinformationen über Windmühlen und schilderte, daß sie im Santa Ynez Valley von Anfang 1800 bis weit ins zwanzigste Jahrhundert Korn gemahlen, Wasser gepumpt und elektrischen Strom produziert hatten. Es folgte ein historischer Überblick in Hinsicht auf die erhaltene Mühle weiter vorn, die man treffend New-Svenborg-Mühle nannte.
Die Hinweise waren ausgesprochen langweilig, und Holly wandte sich nur deshalb der zweiten Tafel zu, weil sie noch immer dazu neigte, Fakten zu sammeln - eine Eigenschaft, die sie zu einer leidlichen Journalistin gemacht hatte. Ihr Interesse erwachte sofort, als sie die Überschrift sah. DIE SCHWARZE WINDMÜHLE: BUCH UND FILM.
»Sieh dir das an, Jim.«
Er trat zu ihr.
Ein Foto zeigte den Schutzumschlag eines Romans: Die schwarze Windmühle von Arthur J. Willot. Die Illustration basierte offenbar auf der New-Svenborg-Mühle. Holly las den Text mit wachsendem Erstaunen. Willot hatte im Santa Ynez Valley gewohnt - in Solvang, nicht in New Svenborg - und viele Romane für junge Erwachsene verfaßt. Bis er 1982 im Alter von achtzig Jahren starb, publizierte er insgesamt zweiundfünfzig Bücher. In seinem besten und erfolgreichsten Werk ging es um eine alte Windmühle, in der es spukte. Ein Junge fand heraus, daß die Geister in Wirklichkeit Außerirdische waren, deren Raumschiff seit zehntausend Jahren auf dem Grund des Mühlteichs lag.
»Nein.« Jim sprach leise, aber trotzdem erklang Zorn in seiner Stimme. »Nein, das ergibt keinen Sinn. Das kann einfach nicht sein.«
Holly erinnerte sich an eine ganz bestimmte Szene des Traums, in dem sie mit Lena Ironheart in einem Körper gewesen war. Als sie darin das Ende der Treppe erreichte, sah sie einen zehnjährigen Jim, der die Fäuste ballte, sich zu ihr umdrehte und sagte: »Ich habe Angst. Hilf mir. Die Wände, die Wände!« Vor ihm stand eine gelbe Kerze auf einem blauen Teller. Erst jetzt fiel ihr wieder ein, daß sie daneben ein Hard-cover-Buch mit buntem Schutzumschlag bemerkt hatte. Der gleiche Umschlag war auf dem Foto abgebildet: Die schwarze Windmühle.
»Nein«, wiederholte Jim und wandte sich von der Tafel ab. Besorgt beobachtete er einige vom Wind gestreichelte Bäume.
Holly las weiter und stellte fest: Vor fünfundzwanzig Jahren, als der zehnjährige Jim Ironheart in den Ort gekommen war, wurde Die schwarze Windmühle verfilmt. Die New-Svenborg-Mühle stellte dabei einen der wichtigsten Drehorte dar. Trickspezialisten schufen einen seichten, aber recht überzeugend wirkenden Mühlteich, und die spätere Umgestaltung in einen kleinen Park wurde von der Produktionsgesellschaft bezahlt.
Jim drehte sich langsam um die eigene Achse, runzelte die Stirn, sah zu Bäumen und Büschen, blickte in eine Düsternis, die der bedeckte Himmel nicht vertreiben konnte. »Etwas kommt.«
Holly bemerkte nichts und glaubte, daß Jim sie nur von der Gedenktafel ablenken wollte. Er sträubte sich gegen die Bedeutung der Informationen, und deshalb versuchte er, ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu richten.
Der Film mußte ein Flop gewesen sein, denn Holly hatte nie etwas davon gehört. Vielleicht handelte es sich um eine B-Produktion, die nirgends Schlagzeilen machte, abgesehen von New Svenborg. Und dort erregte sie nur Aufsehen, weil das Buch von einem Bewohner des Tals stammte. Der letzte Textabschnitt nannte unter anderem die Namen der fünf wichtigsten Schauspieler und verzichtete auf Angaben über
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