Die Kälte Des Feuers
war der Verkehr an diesem Sonntagmorgen dicht genug, um ihr die Möglichkeit zu geben, sich hinter anderen Fahrzeugen zu verbergen. Gleichzeitig bestand nicht die Gefahr, daß es zu einem plötzlichen Stau kam, durch den sie Ironheart aus den Augen verlor.
Er fuhr auf dem Crown Valley Parkway nach Osten, wechselte erst auf die Interstate 5 und dann zur 405 in Richtung Los Angeles.
Als sie die Hochhäuser im Bereich der South Coast Plaza hinter sich zurückließen - es handelte sich um das wichtigste Einkaufs- und Bürozentrum für die zwei Millionen Einwohner im urbanen Komplex des Orange County -, verbesserte sich Hollys Stimmung. Ganz offensichtlich war sie durchaus in der Lage, jemanden im Wagen zu verfolgen: Sie blieb zwei bis sechs Autos hinter Ironheart, nahe genug, um rechtzeitig zu reagieren, wenn er den Ford plötzlich über eine Ausfahrt lenkte. Das Vergnügen angesichts ihres bewiesenen Geschicks kühlte die Hitze des Zorns. Ab und zu bewunderte sie sogar den klaren blauen Himmel und den blühenden rosaroten und weißen Oleander, der den Freeway an einigen Stellen säumte.
Doch nach Long Beach fragte sie sich voller Unbehagen, ob Ironheart den ganzen Tag auf der Straße verbringen wollte. Vielleicht fand Holly schließlich heraus, daß die Fahrt in keinem Zusammenhang mit seinem Geheimnis stand. Auch ein selbsternannter Superheld mit hellseherischen Fähigkeiten besuchte Theatermatineen und ließ sich manchmal auf kein größeres Abenteuer ein, als szetschuanische Spezialitäten mit dem schärfsten Senf des Chefkochs zu essen.
Kurze Zeit später überlegte Holly, ob er mit seiner übersinnlichen Wahrnehmung ihre Präsenz gespürt hatte. Es erschien ihr viel einfacher, eine bestimmte Person zu bemerken, die einige Autos weiter hinten fuhr, als den drohenden Tod eines kleinen Jungen in Boston vorherzusehen. Andererseits: Vielleicht war Ironhearts Hellseherei nicht konstant, keine Gabe, die man nach Belieben ein und ausschalten konnte. Vielleicht funktionierte sie nur bei wichtigen Dingen, zeigte ihm Visionen von Gefahr, Zerstörung und Tod - oder überhaupt nichts. Eine vernünftige Vorstellung, fand die Journalistin. Wahrscheinlich schnappte man früher oder später über, wenn man ständig in die Zukunft blickte und bereits im voraus wußte, ob man an einem Film im Kino Gefallen fand, ob das Essen in einem Restaurant wirklich gut sein würde oder später höchst unangenehme Blähungen verursachte. Trotzdem beschloß Holly, vorsichtig zu sein; sie vergrößerte den Abstand zum Ford.
Als Ironheart den Freeway an der Ausfahrt zum International Airport von Los Angeles verließ, prickelte Aufregung in ihr. Vielleicht beabsichtigte er nur, jemanden abzuholen. Aber sie hielt es für wahrscheinlicher, daß er an Bord einer Maschine gehen wollte, um mit einer neuen Rettungsmission zu beginnen - so wie er am 12. August, vor fast zwei Wochen, nach Portland geflogen war, um Billy Jenkins vor dem Tod zu bewahren. Holly hatte sich nicht auf eine Reise vorbereitet, sie führte nicht einmal Kleidung zum Wechseln bei sich. Aber ihre Handtasche enthielt Bargeld und Kreditkarten, und eine frische Bluse konnte sie sich überall kaufen. Die Aussicht, Ironheart bis zum Schauplatz seines Eingreifens zu folgen, übte einen erheblichen Reiz auf sie aus. Es versetzte sie in die Lage, später mit größerem Sachverstand über ihn zu schreiben, als Augenzeugin von zwei Rettungen.
Holly erschrak, als der Mann von der Flughafenstraße abbog und sich einem Parkhaus näherte: jetzt gab es keine anderen Autos mehr, hinter denen sie sich verstecken konnte. Die Alternative bestand darin, weiterzufahren, woanders zu parken und ihn dadurch zu verlieren. Sie preßte die Lippen zusammen, verringerte ihre Geschwindigkeit ein wenig und nahm nur wenige Sekunden nach Ironheart ein Ticket vom Automaten an der Schranke entgegen.
Im dritten Stock fand Jim einen leeren Stellplatz, und Holly parkte etwa zwanzig Meter entfernt. Sie rutschte in ihrem Sitz nach unten und blieb im Wagen, gab ihm einen Vorsprung um zu vermeiden, daß er sich umdrehte und sie sah.
Sie wartete fast zu lange. Als Holly ausstieg, beobachtete sie, wie sich Ironheart nach rechts wandte und hinter der Wand am Ende der Rampe verschwand.
Sie eilte ihm nach, und das leise Pochen ihrer Schritte hallte dumpf von der niedrigen Betondecke wider. Unten an der Ecke sah sie, daß er ein Treppenhaus betrat. Als sie ihm durch die Tür folgte, hörte sie, wie er die Stufen des letzten
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