Die Kälte Des Feuers
Limonade und einen TravisMcGee-Roman von John D. MacDonald. Eine Sonnenbrille hatte sie bereits.
Noch vor halb drei war sie wieder bei Jim Ironhearts Haus am Bougainvillea Way. Auch diesmal reagierte er nicht aufs Klingeln.
Irgendwie spürte Holly seine Präsenz. Vielleicht habe ich übersinnliche Fähigkeiten, dachte sie in einem Anflug von Sarkasmus.
Sie trug ihre Ausrüstung am Haus vorbei und zum Rasen dahinter. Dort stellte sie den Liegestuhl auf, direkt neben der mit Redwood überdachten Veranda. Innerhalb weniger Minuten hatte sie es bequem.
Der MacDonald-Roman schilderte einen Travis McGee, der in Fort Lauderdale schwitzte dort herrschte eine solche Hitze, daß sogar die Strandschönheiten in den Schatten zurückwichen. Holly kannte das Buch bereits. Sie las es jetzt noch einmal, weil sie sich daran erinnerte, daß die Handlung vor dem Hintergrund tropischen, schwülen Klimas spielte. MacDonalds anschauliche Prosa beschrieb das dampfende Florida so deutlich, daß die trockene Luft von Laguna Niguel im Vergleich dazu weniger heiß erschien, obwohl die Temperatur über dreißig Grad betrug.
Nach einer halben Stunde blickte sie zum Haus und sah Jim Ironheart am großen Küchenfenster. Er beobachtete sie.
Holly winkte.
Der Mann starrte nur.
Er wandte sich vom Fenster ab, kam jedoch nicht nach draußen.
Holly öffnete eine Limonadendose, konzentrierte sich wieder auf das Buch und genoß den warmen Sonnenschein an ihren nackten Beinen. Angesichts der schon ein wenig gebräunten Haut befürchtete sie keinen Sonnenbrand. Zwar war sie blond, aber offenbar hatte sie ein spezielles Bräunungs-Gen, das sie schützte, solange sie nicht auf einem SonnenbadMarathon bestand.
Nach einer Weile, als sie aufstand und den Liegestuhl so zurechtrückte, daß sie auf dem Bauch liegen konnte, sah sie Jim Ironheart auf der Veranda, dicht vor der gläsernen Schiebetür des Wohnzimmers. Er trug eine weite Hose, ein zerknittertes T-Shirt und war unrasiert. Das Haar war zerzaust, er wirkte fast verwahrlost.
Es trennten sie nur knapp fünf Meter voneinander, und deshalb fiel es Holly nicht schwer, ihn zu verstehen. »Was machen Sie hier?«
»Ich liege in der Sonne.«
»Bitte gehen Sie, Miß Thorne.«
»Ich muß mit Ihnen reden.«
»Wir haben nichts zu besprechen.«
»So!«
Ironheart kehrte ins Haus zurück und schloß die Tür. Holly hörte, wie das Schloß zuschnappte.
Fast eine Stunde lang lag sie auf dem Bauch und döste, anstatt zu lesen. Dann beschloß sie, ihr Sonnenbad zu beenden. Um halb vier nachmittags gab es ohnehin keine gute Bräunungsmöglichkeit mehr.
Sie brachte den Liegestuhl, die Kühltasche und den Rest ihrer Habseligkeiten zur schattigen Veranda. Dort öffnete sie eine zweite Limonadendose und griff wieder nach dem MacDonald-Roman.
Um vier Uhr hörte sie, wie sich die Schiebetür wieder öffnete. Ironhearts Schritte kamen näher, und er verharrte hinter ihr. Eine Zeitlang blieb er ruhig stehen, und Holly vermutete, daß er auf sie herabsah. Niemand von ihnen sprach, und sie gab vor, weiterhin zu lesen.
Jims Schweigen erschien ihr immer unheimlicher. Sie dachte an seine dunkle Seite zum Beispiel an die acht Schüsse, mit denen er Norman Rink in Atlanta erledigt hatte - und wurde immer nervöser, bis sie zu dem Schluß gelangte, daß er sie beunruhigen wollte.
Als Holly die Limonade aus der Kühltasche nahm, einen Schluck trank, wohlig seufzte und die Dose zurückstellte, ohne daß ihr dabei die Hand zitterte, ging Ironheart am Liegestuhl vorbei und zeigte sich ihr. Er war nach wie vor unrasiert und schlampig, und unter seinen Augen hatten sich dunkle Ringe gebildet. Außerdem wirkte er unnatürlich blaß.
»Was wollen Sie von mir?« fragte er.
»Es dauert eine Weile, um Ihnen das zu erklären.«
»Ich habe nicht viel Zeit.«
»Wieviel geben Sie mir?«
»Eine Minute«, sagte er.
Holly zögerte und schüttelte den Kopf. »Eine Minute reicht nicht aus. Ich warte, bis Sie mehr Zeit erübrigen können.«
Ironheart bedachte sie mit einem durchdringenden Blick.
Holly blickte wieder auf den Roman.
»Ich könnte die Polizei verständigen und Sie von meinem Grundstück fortbringen lassen«, brummte Jim.
»Nur zu.«
Er blieb noch einige Sekunden lang stehen, verärgert und unschlüssig, ging dann wieder ins Haus, schob die Tür zu und schloß ab.
»Warte nicht zu lange«, murmelte Holly. »In etwa einer Stunde muß ich dein Bad benutzen.«
Ganz in der Nähe saugten zwei Kolibris Nektar aus
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