Die Kaempferin
anzufassen, wenn es nicht anders ging, weil jedelängere Berührung die Schmerzen verschlimmerte. Doch er litt noch immer schrecklich, und Isaiah hatte keine Ahnung, wie lange er in diesem Zustand überleben würde. Zwar dachte er, es könnte helfen, wenn ich Erick besuchte und wie zuvor durch das Weiße Feuer mit ihm redete, aber …
Ich wusste nicht, wie ich mich angesichts der Berührung durch Eryn verhalten sollte; deshalb bewegte ich mich ein Stück von ihr weg und blickte auf Ericks Gesicht hinunter. »Was ist mit der Chorl-Begabten?«
Eryns Hand löste sich von meinem Arm. »Keven sagt, sie hat endlich damit aufgehört, ihre Unterkunft kurz und klein zu schlagen. Er hält es für ungefährlich, ihr einen Besuch abzustatten.«
Ich suchte Eryns Blick. »Dann lass uns gehen.«
Als wir Ericks Gemächer verließen, schickte ich eine der Dienerinnen zur Küche. Dann scharte ich meine Eskorte um mich, und wir schritten den Gang hinunter. Ich hatte einen ganzen Tag gebraucht, um herauszufinden, wie ich die Schutzbanne um die neuen Räumlichkeiten anbringen musste, damit es der Chorl-Begabten nicht gelingen konnte, den Fluss zu verwenden, um die Wachen zu überwältigen. Da die Chorl in der Lage waren, den Fluss zu benutzen, mussten die Banne so beschaffen sein, dass sie aus dem Inneren des Raumes nicht gebrochen werden konnten. Es war eine Abwandlung dessen, was Eryn am Siel verwendet hatte, um die Bürger der Elendsviertel von den Lebensmitteln fernzuhalten, die im dortigen Lagerhaus aufbewahrt waren. Allerdings waren die Räumlichkeiten hier im Palast wesentlich größer, sodass der Bann erweitert werden musste. Er fühlte sich schwächer an als der vorherige, hatte bislang aber gehalten. Vorsichtshalber ließen wir die Begabten des Palasts zusammen mit den Suchern in Schichtwechsel Wache halten.
Wäre der Thron unversehrt gewesen, hätte Cerrin – oder einer der anderen sieben Schöpfer des Thrones – mir zeigen können, wie man den Schutzzauber zu stärken vermochte. Cerrinhätte mich lehren können, wie man die Kraft der Begabten vereinte, so wie die Ochea es beim Angriff auf den Palast und bei der Zerstörung der Mauern getan hatte. Doch ich hatte den Thron zerstört.
Vor den Räumlichkeiten der Chorl-Begabten blieben wir stehen. Die Gardisten nickten den beiden Suchern zu, die dort Wache hielten, und schwärmten dann aus. Auch die dort anwesende Begabte – ein junges blondes Mädchen namens Trielle – entfernte sich.
»Wir müssen endlich anfangen, mit den Begabten zu arbeiten, um herauszufinden, wie die Chorl ihre Kraft mit der Macht der Ochea vereinen konnten, um die Tore zu durchbrechen«, sagte ich, während wir warteten. »Wir müssen es selbst erlernen und dann eine Möglichkeit finden, uns dagegen zu schützen.«
Eryn nickte. »Ich habe schon ein paar Ideen. Beim Unterricht in den Gärten könnten wir das ein oder andere ausprobieren. Und wenn du die Chorl zum Reden bringst …« Eryn nickte in Richtung der mit Schutzbannen versehenen Gemächer.
Bevor ich etwas erwidern konnte, tauchte die Dienerin mit zwei Orangen wieder auf. Ich nahm die beiden Früchte entgegen, wobei ich Eryns fragend hochgezogene Brauen bemerkte. »Ich will allein hineingehen«, sagte ich. »Bleib du mit Trielle hier, falls ich euch brauche. Bringt die Banne wieder an, sobald ich drinnen bin.«
»Wie du willst.«
Ich glitt in den Fluss, und der Duft der beiden Orangen wurde stärker. Eryn löste den Schutzbann, und ich trat durch die Tür, ehe der Bann hinter mir wieder erweckt wurde. Ich holte tief Luft, um mich zu wappnen und den Hass zu bändigen, der jedes Mal in mir aufstieg, wenn ich an die Chorl und an Erick dachte. Dann betrat ich den inneren Raum, wobei ich damit rechnete, jeden Augenblick ein Anzeichen der Macht der Chorl-Begabten zu entdecken – einen Angriff, einen Aufschrei, irgendetwas.
Stattdessen stand sie mit dem Rücken zur Wand am entfernten Ende des Raumes, immer noch in dem verschwitzten grünen Kleid, das sie während des Angriffs getragen hatte. Im Sonnenlicht zeichneten sich deutlich die Ruß-, Asche- und Staubflecken auf dem Stoff ab. Das Zimmer glich einem Schlachtfeld. Das Bett, von dem ein Bein abgebrochen war, neigte sich zur Seite; die Matratze war aufgerissen, und überall lag Stroh verstreut. Die beiden Stühle waren in Zunder verwandelt worden. Federn aus zerfetzten Kissen schwebten beim geringsten Luftzug durchs Zimmer. Die zerrissenen Vorhänge der beiden Fenster lagen als
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