Die Kaempferin
nicht ihre eigenen.
Ich entgegnete: Fürst Demasque wird ihnen nicht glauben.
Eryn schnaubte. Stimmt. Aber er wird so tun. Und da du weißt, dass die Chorl dort waren, da alle auf Tristans Schiff es wissen, wird er ihre Balgerei nutzen, um Gunst zu erlangen und dich weiter in Verruf zu bringen.
Ich sagte: Aber General Daeriun glaubt, dass die Chorl dort waren. Er muss doch Einfluss besitzen!
Nicht, wenn es um den Rat der Acht geht , erwiderte Eryn. Allerdings hat er sehr wohl Einfluss auf Fürst March. Und wenn alles stimmt, was du mir erzählt hast, glaubt dir auch Fürst March.
Es war tröstlich gemeint, denn obwohl ich nur in ihrem Geist, in dem Weißen Feuer in ihrem Innersten, weilte, wusste Eryn offensichtlich, dass ich beunruhigt war. Mir ging immer wiederdie Durchsuchung durch den Kopf. Ständig sah ich den silbrigen Weizen vor mir, das Haus, das leere Lagergebäude mit den Spuren im Stroh und im Staub, die von Kisten zeugten, die sich dort bis wenige Tage, vielleicht nur wenige Stunden vor der Durchsuchung befunden hatten.
Und dann war da noch der Tunnel. Der Tunnel zu den Höhlen, zu dem kleinen Dock, wo das Wasser gegen den Stein klatschte und die verzurrten Boote gegeneinanderstießen. Sogar eine Winde gab es, um schwerere Kisten und Fässer durch die steilsten Abschnitte des Tunnels in den Stall zu transportieren.
Wie lange ist es her, dass du zuletzt geschlafen hast? , fragte Eryn in mein Schweigen hinein.
Beinahe hätte ich nicht geantwortet, tat es dann aber doch, wenn auch widerwillig. Seit der Durchsuchung schlafe ich nicht gut.
Wegen der Durchsuchung? Wegen Fürst March?
Ja. Und wegen der Träume.
Träume über den Thron.
Ja. Ich zögerte. Sie sind stärker als zuvor. Es ist schwieriger, sich aus diesen Träumen zurückzuziehen.
Weil du dem zweiten Thron nahe bist , sagte Eryn. Weil du in Venitte seinem Einfluss unterliegst. Sorrenti hat ja bereits zugegeben, dass sich der Thron dort befindet und immer noch benutzt wird.
Ich erwiderte nichts.
Sind es dieselben Träume, wie du sie hier hattest?
Ja. Vorwiegend Cerrins Träume über den früheren Angriff der Chorl auf die Küste. Er ist derjenige, der die Throne ersonnen hat. Er war es, der sich geopfert hat, um sie zu erschaffen.
Eryn verzog das Gesicht. Sie haben sich alle geopfert, um die Throne zu erschaffen.
Ja, aber das war nicht beabsichtigt. Cerrin zufolge hätte es nur ein Opfer erfordern sollen. Er wollte sich töten, um dem Verlust seiner Gemahlin und seiner Töchter und dem quälenden Schmerz zu entrinnen.
Eryn wirkte plötzlich nachdenklich. Aber dann ging etwas schief?
Ich weiß es nicht. Er glaube, er würde sterben, und dass die anderen ohne ihn weiter über die Küste herrschen könnten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass einer der anderen wusste, was er vorhatte. Er hat es ihnen wohl nicht gesagt. Sie waren ja bereits geteilter Meinung darüber, ob die Throne überhaupt erschaffen werden sollten.
Eryn grübelte lange Zeit darüber nach.
Du solltest zurück nach Venitte gehen , meinte sie dann. Fürst March wird dich in Kürze rufen lassen, davon bin ich überzeugt.
In ihrer Stimme lag ein seltsamer Unterton, irgendetwas, das sie verbergen wollte, etwas Neues, das ich nicht zu erspüren vermochte und das mit dem Geisterthron zu tun hatte.
Ich spielte mit dem Gedanken, durch das Feuer die Herrschaft über sie zu übernehmen – gerade genug, um herauszufinden, was sie dachte –, doch ich ließ es. Denn was immer es war, es hatte auch mit ihrer Krankheit zu tun, und das war ein sehr persönlicher Schmerz, von dem ich bereits wusste, dass ich trotz des Feuers nichts dagegen unternehmen konnte. Wir hatten es bereits versucht.
Also zog ich mich zurück, stieß mich aus dem Feuer empor und stieg über Amenkor auf. Der Anblick der Stadt – die Mauern, die äußeren Viertel, der Kai mit drei Schiffen an den Docks und fünf weiteren, die gerade gebaut wurden, die schützenden Landarme des Hafens und das frisch aufgebrochene Gelände, wo die neue Mauer errichtet werden sollte –, das alles wirkte irgendwie beruhigend auf mich. Dann jagte ich die Küste entlang nach Süden auf das winzige Feuer in Venitte zu, wo Gwenn und Heddan eine Verbindung mit mir eingegangen waren, um es mir zu ermöglichen, mein Bewusstsein so weit zu entsenden.
Als ich über das Land hinwegschoss und Venitte am Horizont fast schon in Sicht geriet, bemerkte ich flüchtig eine Bewegung, die letzten Reste einer Macht, mit der jemand den
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