Die Kaempferin
die die Throne beherrscht und die sie zu einer Begabten macht.«
Daeriun nickte. Sein Stirnrunzeln legte sich. Ich musste daran denken, was Brandan mir auf dem Schiff erzählt hatte: Die Begabten Venittes waren zwar Protektoren, wurden aber nur geduldet, nicht akzeptiert.
Daeriun mochte das Oberhaupt der Protektoren sein und die Begabten Venittes sogar in seinen Einheiten einsetzen, dennoch verursachten sie ihm Unbehagen.
Er verlagerte auf dem Sitz das Gewicht und fragte: »Was habt Ihr gesehen?«
Kurz spielte ich mit dem Gedanken, es ihm nicht zu verraten, weil die Wut über Demasque und den Rat immer noch tief in mir schwelte. Dann aber schüttelte ich meinen Zorn ab. Ich hatte nicht allzu viele Verbündete in Venitte. Daeriun mochte ein mürrischer, sogar schwieriger Verbündeter sein – nichtsdestotrotz war er ein Verbündeter.
»Ich habe Atlatik gesehen.«
»Den General der Chorl«, warf Erick ein.
Ich nickte. »Er ist der Anführer ihrer Armee, der Anführer der Chorl-Krieger. Er ritt an der Spitze einer Kolonne auf dem Marsch nach Süden in Richtung der Stadt. Der Armee folgte ein Wagentross mit Vorräten. Außerdem hatte er eine Gruppe von Chorl-Begabten und Priestern dabei.«
»Wie weit nördlich waren sie? Wann werden sie die Stadt erreichen?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht. Ich schätze, in wenigen Tagen.«
»Wahrscheinlich dauert es etwas länger«, meldete William sich zu Wort. Als ich ihn fragend anschaute, fügte er hinzu: »Das Vorankommen einer Armee wird von ihren Versorgungswagen bestimmt. Atlatik kann nur so schnell reisen wie seine Vorräte.«
Daeriun fluchte. »Trotzdem müssen sie sich bereits innerhalb des Umkreises unserer äußeren Vorposten befinden. Und von denen haben wir nichts gehört.«
»Vielleicht haben die Chorl die Vorposten ja doch noch nicht erreicht«, meinte Avrell.
Daeriun schüttelte den Kopf. »Wir haben gestern Abend von unserem äußersten Vorposten einen Boten erwartet, der nichteingetroffen ist. Das ist an sich nicht ungewöhnlich; deshalb haben wir uns noch keine Sorgen gemacht. Aber in Anbetracht dieser Neuigkeiten …«
Er ließ den Satz unvollendet und verlor sich in Gedanken, während die Kutsche uns durchrüttelte.
Dann sah er mich scharf an.
»Könnt Ihr sie wiederfinden?«
Ich nickte. »Allerdings erfordert es ohne den Thron sehr viel Kraft. Ich bräuchte die Hilfe der anderen Begabten, die bei mir sind. Und selbst dann kann ich eine Bewusstseinsentsendung nicht lange aufrechterhalten.« Nicht ohne ein Feuer, das mich verankerte wie jenes, das ich in Eryn gepflanzt habe, und nicht über eine solch große Entfernung.
»Gut.« Die Kutsche verlangsamte allmählich die Fahrt. Der General schaute aus dem Fenster und verzog das Gesicht. »Ich muss so viele Protektoren wie möglich von den Außenposten zurückbeordern. Sofort, solange noch Zeit ist, sie in die Stadt zurückzuholen, bevor die Chorl eintreffen. In der Zwischenzeit schlägt Fürst March vor, dass Ihr und Eure Männer«, er warf einen bedeutungsvollen Seitenblick auf Erick, womit er auf die Sucher hinwies, »auf dem Gelände Eurer Unterkunft bleiben. Fürst Demasque wäre jede Ausrede willkommen, seine Forderung zu untermauern, dass Ihr die Stadt verlassen müsst. Gebt ihm keine.«
Als die Kutsche hielt, öffnete Daeriun die Tür und ging. Rasch überquerte er den Hof, durchschritt das Tor und verschwand dahinter auf die Straßen der Stadt.
»Er ist ein wenig schroff«, meinte Erick, der hinter mir aus der Kutsche stieg.
Ich schnaubte.
»Werdet Ihr Fürst Marchs Empfehlung beherzigen?«, fragte Avrell.
Ich richtete einen vernichtenden Blick auf ihn, doch er zuckte mit keiner Wimper. »Findet Westen und Catrell«, befahl ich.
»Wozu?«, fragte Avrell.
»Ich will mit Ottul reden. Wir müssen herausfinden, was die Chorl vorhaben. Und Ottul kann uns dabei vielleicht helfen.«
»Ich nicht weiß«, sagte Ottul. Irgendwie hörten sich die Worte der Küstensprache aus ihrem Mund falsch an, kurz und abgehackt und auf seltsame Weise betont.
Beinahe hätte ich vor Enttäuschung geflucht. Ich schaute zu Catrell, der neben mir in den Gemächern saß, die den Begabten und Ottul zugewiesen worden waren. Mein Blick wanderte weiter zu Erick, William und Avrell, der hinter uns stand, dann zurück zu Ottul, an deren Seite Gwenn weilte. Marielle und Heddan saßen weiter hinten. Westen war noch nicht gefunden worden. Er trieb sich noch irgendwo auf den Straßen von Venitte
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