Die Känguru-Offenbarung (German Edition)
ick übrigens eenen ulkigen Jedanken, weil weeßte, ick heeße ja Müller, und Müller und Schuster und Schneider und so, det sinn ja allet Berufe, aber sehr unzeitjemäße, also et sollte mal eener een Jesetz erlassen, det ab sofort jeder als Nachnamen den Beruf trägt, den Vatter oder Mutter bei der Geburt hatte. Vastehste? Denn hießen die Leute plötzlich Tanja Systemadministrator oder Peter Arbeitsloser, deren Sohn könnte heeßen Jan-Philipp Arbeitsloser-Systemadministrator, und ick würde heeßen Herta Malwatjescheitetjelerntdieollesau, und unser Kumpel hier würde heeßen Friedrich-Wilhelm Ausländer, nich weil sein Vatter nüscht jearbeitet hat, aber die Namen zuteilen, det würde ja ’ne Behörde machen, und für die Behörde is man halt immer zuallererst mal Ausländer, wenn man Ausländer is, aber wem erzähl ick det, aber nu jedenfalls hat der Friedrich-Wilhelm ja wie jesacht sein Balg dabei, also worauf ick hinauswill: Warum jehste zum Paffen von deinem Tabak nich uff’n Balkon? Jetzt haste natürlich zwischenzeitlich schon uffjeraucht, aber für die nächsten Male weeßte Bescheid. Und Beuteltierchen, jetzt brauchste hier jar nicht det Schnäuzchen uffreissen, det in dem Zigarettchen jar keen Tabak drinne war, det hab ick och jerochen, aber werd mir nich frech, sonst erklär ick dir det Janze noch mal, nur erzähl ick keen Quatsch mehr von wegen freier Raum, sondern ick sag dir klipp und klar: Dit is ’ne freundliche Diktatur hier, und glob mir, du möchtest nich erleben, det se unfreundlich wird.«
Das Känguru trägt einen schwarzen Filzhut, einen schwarzen Anzug, eine schwarze Krawatte und eine Sonnenbrille.
Es hat mich durch einen Schnick-Schnack-Schnuck-Sieg gezwungen, genau das gleiche Outfit zu tragen.
»Ich weiß, ich habe gesagt, dass wir irgendwie dafür sorgen, dass die Wohnungen nicht verkauft werden«, sage ich, »aber ist das nicht gefährlich …«
»We’ll never get caught«, sagt das Känguru. »We’re on a mission from God.«
Ich seufze.
Ein Mann kommt zur Tür herein.
»Senator Jörg Dwigs?«, frage ich und gehe auf ihn zu. »Herr Doktor Dwigs, wir sind von der Initiative für den Erhalt der Sozialwohnungen am …«
»Das von mir gegründete und geleitete Ministerium für Stadtsicherheit hat dazu eine klare Linie«, sagt Dwigs. »In Sozialwohnungen nisten sich Ausländer ein. Den meisten Ausländern ist es nicht erlaubt zu arbeiten, das heißt, sie verdienen entweder kein Geld – und wer kein Geld hat, ist kriminell –, oder sie arbeiten illegalerweise, was kriminell ist. Die Ausländer, die arbeiten dürfen, die klauen uns Deutschen die Arbeitsplätze, und klauen ist kriminell, und da wir sagen: null Toleranz für Kriminalität, heißt das auch null Toleranz für Ausländer, null Toleranz für Arme, schlicht null Toleranz für Toleranz.«
»Das ist doch, mit Verlaub, bescheuert!«
»Nein. Das ist Logik!«, sagt Dwigs barsch. »Weg mit dem Hinterhofgesocks. Außerdem hat die Stadt kein Geld für soziale Wohltaten. Wir brauchen alles für den Flughafen.«
Er blickt mich abfällig an.
»Im Übrigen«, sagt er, »glauben Sie wirklich, ich erkenne Sie nicht, nur weil Sie diesen albernen Hut und diese lächerliche Sonnenbrille aufhaben?«
Er zieht ein Exemplar des Känguru-Manifestes aus seiner Aktentasche.
»Sie haben diesen Schund verfasst, haben versucht, mich lächerlich zu machen, Ihr Känguru hat meinem Bruder ans Bein gepinkelt!« Dwigs lacht überheblich. »Und jetzt stehen Sie vor mir als Bittsteller! Ha! Das ist meine Antwort.«
Er wirft das Buch in den Kamin.
»Ähem«, sage ich. »Also, das ist nur ein künstlicher Kamin. Da leuchtet nur eine rote Lampe, und Tücher flattern. Da passiert nichts.«
Dwigs blickt mich böse an.
»Das weiß ich!«, sagt er schnippisch.
»Dann verstehe ich nicht, warum Sie das gemacht haben«, sage ich. »Es wirkt irgendwie ungewollt komisch.«
»So?«, fragt er. »Mal kucken, ob Sie das komisch fin-den!«
Er öffnet seinen Reißverschluss und pinkelt auf den Teppich.
»Das ist nicht mein Teppich«, sage ich. »Und nicht meine Wohnung. Es ist Ihr Konferenzraum. Ihr Teppich. Also ja, ich finde es durchaus komisch.«
Dwigs nimmt das Buch aus dem künstlichen Kamin und wirft es aus dem Fenster. Es prallt am Gitter ab und landet wieder vor seinen Füßen.
»Möchten Sie noch etwas Witziges tun, oder darf ich mich hier mal kurz dazwischenschalten?«, fragt das Känguru.
Dwigs schenkt ihm einen abfälligen Blick.
»Wer
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