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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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trat, wurde sie gleich mit einem fröhlichen »Ciao, bellissima!« begrüßt, das von dem einzigen Tisch, der bisher noch frei gewesen war, zu ihr herüberschallte. Johanna errötete leicht. Sie hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, von den Venezianern ständig als »bella« , »carina« oder »dolce« bezeichnet zu werden, manchmal auch in der Steigerungsform. Dabei spielte es keine Rolle, ob ein Mann oder eine Frau sie als »Allerschönste« oder »Süßeste von allen« titulierte, wie es eben gerade die berühmte Sängerin Faustina Bordoni getan hatte, die mit einem Herrn im Schlepptau aufgetaucht war, bei dem es sich seiner hellen Gesichtsfarbe nach zu urteilen nur um ihren deutschen Komponistengatten Adolf Hasse handeln konnte. Ganz Venedig lag den beiden zu Füßen, und Johanna war stolz, sie bedienen zu dürfen.
    Flink brachte sie ihre beiden Bestellungen an die entsprechenden Tische und wandte sich dann der Sängerin zu.
    »Signora Bordoni, wie schön, Sie zu sehen! Sie waren schon lange nicht mehr da – ich habe mir bereits Sorgen gemacht.«
    »Das ist ja ganz reizend von Ihnen, carissima , aber ich war nur für ein paar Tage in Neapel, wo ich am San Carlo aufgetreten bin. Und meinen Mann besucht habe.«
    Sie tätschelte die Hand ihres Mannes, der ganz hingerissen mit seinem Blick an ihrem breitflächigen Gesicht mit der etwas zu dominanten Nase hing.
    »Nächste Woche ist hier Premiere, Demetrio – da müssen Sie einfach kommen, Giovanna! Und bringen Sie Ihren Freund, den Zauberer, mit!«
    Sie lachte ein wenig zu schrill.
    »Wenn er dann noch da ist …«, nickte Johanna bekümmert.
    Marcello hatte ihr vor ein paar Tagen verkündet, von dieser übel riechenden Lotterstadt, wo die Menschen, statt seine Zauberkunst zu würdigen, lieber ins Bordell oder Ridotto gingen, die Nase voll zu haben und sich wieder auf die Reise machen zu wollen. Johanna hatte ihn bestürzt angesehen, aber nichts weiter aus ihm herausgebracht.
    Ihre trüben Gedanken wurden von einem erneuten Aufschrei Faustinas unterbrochen.
    »Maestro, Maestro, Signor Vivaldi, siamo qua, nel caffè!«
    Johanna zuckte zusammen. Um ein Haar hätte sie das Tablett mit den leeren Gläsern und Tassen fallen lassen. Vivaldi, er hier? Der große Komponist und Lehrmeister, Gabriels Lehrmeister, er lief einfach so über die Piazza San Marco, direkt an ihr vorüber?
    Faustina Bordoni und ihr Mann hatten sich von ihren Stühlen erhoben. Johanna konnte sehen, wie der stattliche ältere Herr mit der weißen Perücke im Gehen innehielt, seinen Kopf in ihre Richtung drehte, einen Moment zögerte und, als Faustina hektisch zu winken begann, seine Schritte schließlich langsam zum Florian lenkte.
    Je näher er kam, umso mehr hatte Johanna das Gefühl, innerlich zu erstarren. Warum war der Maestro nicht in Prag, wo eine seiner Opern uraufgeführt wurde, wie sie von einem musikbegeisterten Gast des Florian gehört hatte, warum war er hier? Warum musste er wie eine Erscheinung plötzlich in ihr Leben treten, um schlagartig all die Wochen und Meilen zunichtezumachen, die sie an Distanz zwischen sich und den Mann, den sie nicht lieben durfte, gebracht hatte? Hatte sie sich nicht eben noch dazu beglückwünscht, endlich auch wieder Augen für andere Männer haben zu können? Nun schien alles wieder von vorne anzufangen, sie hatte das Gefühl, die Uhren wären um Wochen zurückgedreht. Der Komponist, der da Schritt für Schritt auf sie zukam, hatte Gabriel fast so geprägt wie sein eigener Vater. Er hatte ihn zu dem gemacht, was er war, als sie ihn kennenlernte. Dieser Mann war Gabriels Schicksal, wie er ihr erzählt hatte, weil er den Musiker in ihm geweckt habe, den Künstler, der er habe werden müssen , jedoch seiner Herkunft gemäß nicht hätte werden dürfen. Und nun stand dieser Antonio Vivaldi vor ihr, mit seinen geschwungenen Lippen in dem trotz des fortgeschrittenen Alters jungenhaften Gesicht, dem leicht vorgebeugten mächtigen Oberkörper und der Rolle Notenblätter in den langfingrigen Händen – Hände, die auch Gabriel oft gesehen und gespürt haben musste, wenn der Maestro seine Musizierhaltung korrigiert, auf einen zu wiederholenden Takt in den Noten gezeigt oder ihm lobend auf die Schulter geklopft hatte.
    Doch der Maestro beachtete sie gar nicht. Er lächelte verhalten, als wüsste er nicht genau, was er von der Begegnung mit seinem Kollegen und Konkurrenten Adolf Hasse und dessen exzentrischer Ehefrau Faustina Bordoni halten sollte, warf einen

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