Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
Vom Netzwerk:
der Polizei zu erregen.«
    Lincoln spürte, wie er fast unwillkürlich in den Bann des Saudis geriet. Jetzt, da er so dicht vor ihm saß, sah er, dass die Haut im Gesicht und am Hals des Saudis gelblich wirkte, nahm aber an, dass das auf die schwachen Glühbirnen im Raum zurückzuführen war. Irgendwie mochte er seine Art – kein Wunder, dass die Al-Kaida-Zellen in Afghanistan und im Jemen so starken Zulauf von jungen Männern hatten. Während er die unerschrockenen Augen seines Gegenübers beobachtete, spürte er die magnetische Anziehung, die von ihm ausging. Der Saudi sprach sanft, aber seine Autorität war enorm. Als er sah, wie unbequem es sein Besucher hatte, griff er nach einem Kissen und reichte es ihm. Nachdem Lincoln es sich untergeschoben und sein lahmes Bein vor sich ausgestreckt hatte, gab er eine Erklärung zum Besten, die in Langley vorbereitet worden war: Seine zahlreichen Geschäftspartner würden sich bei verschiedenen Düngemittelherstellern in den USA als Vertreter von landwirtschaftlichen Kooperativen ausgeben, große Mengen Ammoniumnitrat kaufen und nach New Jersey schaffen, wo alles in einen Umzugswagen umgeladen werden würde. An einem noch zu vereinbarenden Ort würde Leroy Streeter das Ammoniumnitrat in Empfang nehmen und bar bezahlen.
    »Er fragt, ob Sie gern wissen möchten, was Mr. Streeter mit dem Ammoniumnitrat vorhat.«
    »Ich vermute, er will es irgendwo in die Luft jagen. Ehrlich gesagt, das ist mir völlig egal.«
    »Er fragt, warum es Ihnen egal ist.«
    »Ich glaube, Amerika ist zu reich und zu fett und zu überheblich geworden. Ein kleiner Dämpfer kann da nicht schaden.«
    »Er fragt, was für Waffen Sie im Balkan verkauft haben.«
    »Alle möglichen. Meine Kunden haben mir eine Wunschliste gegeben, und ich habe sie erfüllt, so gut ich konnte.«
    »Er fragt, ob Sie Ihre Geschäfte auf konventionelle Waffen beschränkt haben.«
    »Meine Geschäfte beschränken sich darauf, was das sowjetische Militär auf Lager hat. Bislang habe ich Waffen und Munition fast ausschließlich aus sowjetischen Armeeeinheiten in Ostdeutschland besorgt. Viele der Russen, mit denen ich Geschäfte gemacht habe, sind in die Sowjetunion zurückgekehrt und wären imstande, mich mit anderen Artikeln aus dem sowjetischen Arsenal zu beliefern. Haben Sie da irgendwas Bestimmtes im Auge?«
    »Er fragt, ob Sie Plutonium oder angereichertes Uran liefern können.«
    Lincoln überlegte kurz. »Radioaktiven Abfall könnte man aus Atomreaktoren besorgen, wie dem in Tschernobyl –«
    Der Saudi fiel Lincoln ins Wort, und der Sekretär übersetzte, was er sagte: »Er ist neugierig, warum Sie Tschernobyl erwähnen. Nach der Reaktorexplosion vor fünf Jahren wurde der radioaktive Abfall mit einer dicken Betonschicht versiegelt.«
    »Explodiert ist der Reaktor Nummer vier. Zwei Reaktoren der Anlage sind noch in Betrieb. Der radioaktive Abfall wird auf verschiedene Endlager verteilt. Aber es gibt noch eine andere Quelle für Plutonium – die in Archangelsk und Murmansk stationierte Atom-U-Boot-Flotte stellt immer mal wieder Boote außer Dienst, wenn der Etat beschnitten wird. Die Plutonium-Pits werden aus den U-Booten entnommen und in dieselben Endlager transportiert. Wer bereit ist, die mit dem Erwerb verbundenen Risiken einzugehen, für den ist waffenfähiges Plutonium oder Uran in Hülle und Fülle vorhanden. Natürlich wären für ein solches Geschäft sehr große Geldsummen erforderlich.«
    Der Saudi nickte nachdenklich, als für ihn übersetzt wurde. Er raunte dem Sekretär etwas zu, der daraufhin sagte: »Er fragt, wie groß.«
    »Wie viel radioaktiver Abfall würde denn gebraucht?«
    »Er sagt, für den Anfang etwa neunhundert Kilo.«
    »Und wohin möchte er es geliefert haben?«
    »An einen Ort in Afghanistan, der noch genannt wird.«
    »Ich müsste erst mit meinen Geschäftspartnern sprechen, bevor ich einen Preis nenne. Ganz grob geschätzt würde ich sagen, wir reden über eine Größenordnung von zirka einer Million US-Dollar, Anzahlung in bar, wenn ich die Quelle aufgetan habe, den Rest auf ein ausländisches Nummernkonto.«
    »Er fragt, ob es Atombomben gibt, die in einen gewöhnlichen Handkoffer passen.«
    »Er meint sicher die amerikanische MK 47. Die Sowjets sollen etliche hundert von den Dingern gebaut haben. Sie haben ungefähr die Form einer Feldflasche, nur größer, etwa so groß wie ein Koffer, mit einem Tankdeckel obendrauf und auf beiden Seiten ein Metallgriff. Die Bombe ist klein und handlich

Weitere Kostenlose Bücher