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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Sie sollen wissen, dass es eine muslimische Pflicht ist, für den Islam und für Allah Krieg gegen die Ungläubigen zu fuhren.«
    Lincoln nickte dem Saudi zu, der den Kopf als Zeichen der Achtung vor dem Fremden beugte, der ihn zu respektieren schien.
     
    »Und was ist dann passiert?«, fragte Crystal Quest, als Lincoln, wieder zurück in Washington, die Begegnung in dem Ausbildungslager in Brasilien schilderte.
    »Er hat mich noch zwanzig Minuten mit Fragen gelöchert, und ich habe brav geantwortet. Es lief alles ganz friedlich ab. Irgendwann hat er fünf Minuten lang mit dem Ägypter, Daoud, diskutiert, als sei ich gar nicht anwesend. Dann ist der Saudi plötzlich aufgestanden und ohne ein weiteres Wort an mich verschwunden.
    Ich hörte, wie vor dem Gebäude drei oder vier Autos ansprangen und davonfuhren. Daoud sagte, die Besprechung sei zu Ende. Er brachte mich und Leroy zu seinem Mercedes, und wir sind zurück nach Foz do Iguaçú gefahren. Der Ägypter hat gesagt, ich hätte einen guten Eindruck auf den Saudi gemacht. Er meinte, ich solle in die Staaten zurückkehren und Ankauf und Lieferung des Ammoniumnitrats organisieren. Das Zeug soll zu einem verlassenen Hangar am Pulaski Skyway in New Jersey geliefert werden.« Lincoln holte ein liniertes Blatt hervor, das aus einem Notizbuch gerissen worden war. »Die Adresse steht hier.«
    Quest riss ihm den Zettel aus der Hand. »Was ist mit dem Saudi und seinem radioaktiven Abfall?«, fragte sie.
    »Daoud hat mich zu einem weiteren Treffen mit dem Saudi nach Boa Vista eingeladen, in der Neumondnacht. Dann soll ich mit ihm über die Lieferung von hundert Kilo Plutonium sprechen.«
    »Beschreiben Sie den Saudi nochmal, Lincoln.«
    »Das steht alles in meinem Bericht. Sein Name wurde nie erwähnt, weder von Daoud noch von dem Sekretär, der für ihn übersetzt hat. Ich würde ihn auf knapp einsfünfundneunzig schätzen und Mitte dreißig –«
    Quest unterbrach ihn. »Das Alter von jemandem zu schätzen war noch nie Ihre starke Seite. Wie alt würden Sie die Kontaktfrau schätzen?«
    »Die Prostituierte im Kit Kat? Ende dreißig oder Anfang vierzig.«
    »Da haben wir’s«, sagte Quest an ihre Leute gewandt, die sich im Büro ihrer Chefin drängten, um bei Lincolns Berichterstattung dabei zu sein. »Die Frau, die jüngste Tochter einer alten römischen Familie, ist siebenundzwanzig. Ihr richtiger Name ist Fiamma Segre. Sie nimmt seit Jahren harte Drogen – deshalb sieht sie so viel älter aus, als sie ist. Fahren Sie mit Ihrer Beschreibung des Saudis fort.«
    Lincoln stützte die Ellbogen auf den Stock, den er quer über die beiden Armlehnen des Stuhls gelegt hatte, schloss die Augen und versuchte, sich den Saudi vorzustellen. »Er hat Charisma –«
    »Was soll das denn, Lincoln? Sollen wir das etwa auf den Steckbrief setzen, den wir an unsere Stationen schicken? ›Gesucht, tot oder lebendig, ein Saudi mit Charisma.‹«
    Lincoln war mit seiner Geduld fast am Ende. Er war hundemüde – die Autofahrt nach São Paulo und der Rückflug in die Staaten hatten ihn geschlaucht. Die unsanfte Befragung durch Fred und ihre Leute wurden allmählich zu dem Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringen würde. »Ich tu mein Bestes –«
    »Dann muss Ihr Bestes eben noch besser werden.«
    »Vielleicht täte ihm ein Nickerchen ganz gut«, schlug einer der Männer vor.
    Quest ließ sich nicht gern in Frage stellen. »Vielleicht täte Ihnen eine Versetzung ganz gut«, konterte sie. »Also, Lincoln. Geben Sie uns was Konkretes, womit wir was anfangen können. Denken Sie nach, Mann. Irgendwas, das Sie nicht in Ihren Bericht geschrieben haben.«
    Aus einem versteckten Winkel seines Unterbewusstseins förderte Lincoln einige Einzelheiten zutage, die ihm bislang entfallen waren.
    »Ich glaube, der Saudi ist krank –«
    »Psychisch oder körperlich?«
    »Körperlich. Er hat sich immer wieder an verschiedenen Stellen gekratzt – am Oberarm, an der Brust. Als würde es ihn überall jucken. Seine Haut war gelblich – zuerst dachte ich, das käme von der schwachen Beleuchtung, aber als er aufstand und unter einer Glühbirne herging, konnte ich sehen, dass er richtig gelb war. Noch was: Er hat geschwitzt, obwohl es in dem Raum nicht warm war. Es sah aus, als ob der Schweiß auf seiner Stirn zu einem feinen, weißen Pulver kristallisiert.«
    Crystal Quest lehnte sich zurück und blickte den Mitarbeiter an, der als Arzt die Abteilung für psychologische und medizinische Profile leitete. »Was

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